Sterbehilfe – ja, nein oder vielleicht?

Die aktuelle Debatte über die Sterbehilfe

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet „über sechs Verfassungsbeschwerden gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verhandeln“ (Paragraf 217). Klage eingereicht hatten Sterbehilfevereine aus Deutschland und der Schweiz, Ärzte und Sterbenskranke.

„Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Paragraf 217, Abs 1, SGB

Wer maßt sich an über Leben und Tod zu entscheiden. Wer darf das? Der Staat? Die Gerichte? Ärzte und Ärztinnen? Psychologen? Die Kirche etwa? Der Staat und damit der Gesetzgeber hat die Pflicht über den Schutz der Menschen und ihres Lebens zu wachen. Daher führt die aktuelle Debatte um Sterbehilfe bis vors höchste Gericht, vor das Bundesverfassungsgericht, dass in dieser Woche das Thema, welche Rolle der Staat bei der Sache zu spielen hat.

Für mich steht unstrittig fest, dass die Kirchen und ihre Würdeträger zwar ihre Meinung äußern sollen und dürfen, aber sich ansonsten auch nicht einzumischen haben in diese Frage nach dem Recht auf Selbsttötung und dem Anspruch auf medizinische Assistenz zum Sterben. Auch die Psychologie kommt hier an ihre Grenzen und sollte sich darauf bescheiden, ganz uneigennützig Menschen zu beraten und zu begleiten.

Ich will hier aber nicht auf die rechtlichen Spitzfindigkeiten eingehen, sondern eher auf die ethisch-moralische Empfindung zum Thema Sterbehilfe abzielen, auf das Menschenbild. Das Bild, dass der aufgeklärte Menschen von sich und seiner Existenz hat. Ich habe rund zehn Jahre in der Krankenpflege gearbeitet, davon den Großteil als examinierter Krankenpfleger unter anderem in der Psychiatrie und mit Fortbildung in Sterbebegleitung. Ich kann also schon etwas darüber sagen.

Selbstbestimmung und Sterbehilfe

Die allermeisten Menschen leben kein sehr selbstbestimmtes Leben. Obwohl es über die Jahrzehnte in den westlichen Demokratien schon viel besser geworden ist als es mal war. Selbstbestimmung hängt entweder an den finanziellen Ressourcen oder an der eigenen Willenskraft, dem Charakter. Selbstbestimmtheit erlangt man nach und nach mit Lebenserfahrung und Reife. Dennoch stecken viele von uns in vielen Zwängen. Sind die Kinder erst aus dem Haus, sind die Lebenspartner getrennt eröffnet sich für viele, insbesondere für Frauen, ganz neue Perspektiven der Selbstbestimmung. Da ist meist schon der Herbst des Lebens eingetreten und die verbliebene Strecke wird langsam kürzer.

Für mich ist es selbstverständlich, dass jeder Mensch nach maximaler Selbstbestimmung strebt. Selbstbestimmtheit ist ein hohes Gut. Das höchste Gut, dass der einzelne Mensch besitzt. Und nun soll das alles mit dem Sterbeprozess enden? Beim Sterben soll der Mensch nicht mehr selber bestimmen können? Er ist hier abhängig vom medizinischen Wissen, von der Weisheit der Ärzte, auf jeden Fall aber angewiesen auf Hilfe von Außen wenn es um aktive, aber auch, wenn es um passive Sterbehilfe geht. Aus diesem Grund berührt das Thema den Gesetzgeber. Kann ein Sterbender das Recht auf seinen eigenen Tod einklagen? Kann man den Helfern, den Ärzten, Pflegern und Angehörigen Straffreiheit garantieren? Denn seit Dezember 2015 ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung in Deutschland eine Straftat.

Ja oder nein?

Wenn man den Bürgern eine einfache Frage stellt, erhält man selbstverständlich eine entsprechende Antwort. Sterbehilfe ja oder nein? Die Allermeisten stimmen für ja. Ist doch klar, da es um das eben beschriebene Recht auf Selbstbestimmung geht. Aber so einfach ist die Sache nicht. Man muss schon sehr genau hinschauen und darf sich die Sache nicht zu einfach machen.

Eins ist klar: Der Tod kommt von allein, da brauchen wir gar nicht viel zu tun. Daher ist Selbstmord nur in extremen Ausnahmefällen akzeptabel. Aber das ist im Grunde ein anderes Thema.

Beim Thema Sterbehilfe es ist offenbar so, dass einige das große Wort schwingen und den Tod noch nie gesehen haben, die noch nie mit Sterbenden – nicht nur mit EINEM – gesprochen haben. Und die rufen nach aktiver Sterbehilfe! Wegen dem Erbonkel, den sie auf diese Art und Weise schneller loswerden können um an ihr Erbe zu kommen? Mal sehen, wenn diese Leute selber an der Reihe sind, was sie dann sagen.

Die Sache ist komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheint, daher mag ich diese Ja-nein-Frage nicht. Eine solche Frage ist nicht in Ordnung.
Wenn, dann müsste sie ungefähr so lauten: „Sollte aktive Sterbehilfe in bestimmten Fällen erlaubt sein?“

Passive Sterbehilfe gibt es und, bitte, es gibt auch die aktive, nur kriegt niemand was davon mit. Es geht darum, dass das im Gesetz verankert wird.
Eins der vielen Probleme dabei, ist die Tötung aus Eigeninteresse oder die Meinung, dass man keine Last mehr für die Angehörigen sein will und sich gefälligst einschläfern lassen möchte. Teuer bezahlt natürlich. Und das soll erlaubt sein? Oder soll nicht lieber alles dafür getan werden, dass der Betroffene nicht mehr das Gefühl haben muss, ein Last für andere zu sein? Würde nicht dann sein Wunsch ein anderer sein?

Es kann nicht Sinn und Zweck einer gesetzlich gebundenen Sterbehilfe sein, jedem Sterbewunsch ohne Weiteres zu entsprechen. Allzuschnell ist das, was nach Selbstbestimmung ausschaut gar keine.

Aus den Hospizen vernehmen wir nämlich zu dem heiklen Thema einen ganz anderen Klang, ganz andere Zwischentöne und Haltungen. Nämlich dass derjenige, der sich gut aufgehoben und geschützt fühlt, keinen Wunsch hat, früher und aktiv aus dem Leben zu scheiden. Es gibt Ausnahmen, aber die sind eher selten oder eben den gesellschaftlichen Umständen geschuldet. Oder soll Sterbehilfe das Renten und – Wohnungsproblem lösen helfen?

Jedenfalls braucht niemand ein Gesetz und es braucht auch keine allgemeinen Regelungen, wenn man selber Vorsorge trifft und klare Entscheidungen trifft, ehe es zu spät ist. Das ist meine Meinung. Sich der Realität stellen und für gute Beziehungen sorgen, solange dies möglich ist. Beziehungsarbeit, Menschlichkeit und Klarheit.

Weiterfürhende Linsk zum Thema aktive Sterbehilfe

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2 Kommentare

  1. Vorsorge und klare Entscheidungen retten nicht vor einer nurmehr schmerzlichen Lebensendphase, der man gern ein Ende setzen würde. Doch dazu gibt es keine Möglichkeiten, es sei denn, man ist noch so fit und mutig, gewaltsame Formen des Freitods zu wählen. Oder man hat Beziehungen, die es ermöglichen, ein Mittel zu beschaffen – auch eher die Ausnahme.
    Was ist im übrigen so falsch an der (eigenen!) Überlegung, dass jeder weitere Tag evtl. immense Kosten verursacht, ohne dass damit irgend eine Verbesserung erreicht werden kann? Sondern nur eine Verlängerung des Leidens?

    1. Vielen Dank für deine Anregungen.
      Nun, um deine Frage zu beantworten, was daran falsch wäre, aus Kostengründen sein Leben zu beenden: Das kann selbstverständlich jeder handhaben, wie er möchte. Das ist die Selbstbestimmung. Allerdings ist eine eine traurige, bittere Haltung. Ein Sterbender ist keine Last, sondern Teil der Gemeinschaft und das Sterben Teil des Lebens. Das Sterben muss jenseits von Profit und kapitalistischen Haltungen stattfinden.

      Wie ich beschrieb, haben die Hospize hier ganz andere Erfahrungen. Wenn man den Sterben aktiv den Glauben nimmt, sie wäre eine Last für alle, wählen sie keinen vorzeitigen Freitod.

      Mir ging es mit meiner Bemerkung, Vorsorge zu schaffen, eher um Bewusstseinsarbeit. Es geht darum, die volle Verantwortung für sein Schicksal zu übernehmen. Eine gute Haltung finde ich, medizinische Hilfe in bestimmten Fällen unter bestimmten Umständen klar abzulehnen (Stichwort: Patientenverfügung). Der Tod und das Sterben ist aus unserem Leben und aus unseren Familien verbannt. Und DAS ist das eigentliche Problem. Daher weiß man nicht mehr, dass man viel leichter und schneller sterben kann, wenn man nicht in die teilweise erbarmungslosen medizinische Mühlen gerät. Man belebt noch leblose 80-Jährige ohne Sinn und Verstand, die Medizin ist eine Maschine geworden.

      Aber es geht darum, dass wenn man hier Gesetze erlässt, finanzielle Überlegungen ausgeschlossen werden müssen. Nicht zuletzt daher, dass Verbot der kommerziellen Sterbehilfe. Man kann hier sehr blauäugige Meinungen entwickeln, die die menschliche Gier und Schwäche aus den Kalkulationen ausschließt. Wie viele Morde es an alten Elbonkeln, Eltern und Großeltern tagtäglich gibt, und die niemals entdeckt werden, weil nur ein wenig nachgeholfen wird, mag man sich nicht vorstellen. Das ist aber ein wesentlicher Aspekt bei der gesetzlichen Regelung von … Sterbehilfe.

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