Der gekränkte Mann als Buch

Ein Mann liest das Buch DER GEKRÄNKTE MANN

„Der gekränkte Mann: Verteidigung eines Auslaufmodells“ von Tobias Haberl ist ein provokatives Sachbuch, das die Debatte um männliche Identität und Rollenbilder in einer sich wandelnden Gesellschaft aufmischt. Haberl entfaltet ein Panorama der modernen Männlichkeit, konfrontiert mit Feminismus, gesellschaftlichen Erwartungen und der eigenen Verletzlichkeit. Von persönlichen Anekdoten bis hin zu kulturellen Beobachtungen – dieses Buch lädt ein zur Reflexion über das, was es heute heißt, Mann zu sein, gefangen zwischen Tradition und einem neuen Verständnis von Geschlechterrollen. Ein Muss für alle, die sich mit den Facetten der Geschlechterdebatte auseinandersetzen wollen.

Der aktuelle Zustand des Mannes aus meiner persönlichen Sicht

Toxische Männlichkeit wird seit einigen Jahren endlich thematisiert. Eckpunkte sind die MeToo-Debatte oder im letzten Jahr der Skandal um Rammstein-Sänger Till Lindemann, meine Teilnahme bei der Männerkonferenz MANN SEIN oder davor der witzige Geschlechterkrampf im Anti-Patriarchats Blockbuster BARBIE. Manch spannendes und kritisches Buch zu männlichen Rollenmodellen oder dem Schmerz der Männer ist erschienen, aber auch Rückschläge, wie das Drama der Falschbeschuldigungen gegen Jörg Kachelmann oder zuletzt die abwertende Haltung zum angebliche schwulen Deutschlandtrickot.

Darüber habe ich geschrieben und ich glaube, dass ich einen guten Überblick über den Zustand des Mannes habe. Basis ist für mich das brillante Buch Die Wahrheit über Eva vom deutschen Anthropologen Carel van Schaik und dem Historiker Kai Michel. Dort wird sehr detailliert belegt, was das Dilemma ist, woher der gekränkte Mann eigentlich kommt. Das Patriarchat, dessen Kind er selber ist, beginnt langsam zu zerfallen und die destruktiven Anteile werden immer sichtbarer. Gerade in gewalttätigen Matcho-Kulturen wie zum Beispiel in Russland wird der dunkle Schatten des Mannes mehr als deutlich. Aber der Mann selber ist Opfer dieser zerstörerischen Männlichkeit. Er ist der gekränkte Mann eben.

Durch die Sesshaftwerdung hat der Mann an Möglichkeiten eingebüßt, Renommee, Reputation, Ansehen zu gewinnen, Bestätigung und Bewunderung zu erhalten, die ihm das Jagen und die Jagdbeute einbrachte, in dem er großzügig die Beute teilt und abgibt, gerade denjenigen, die nicht für sich sorgen können. Das scheint mir der gekränkte Mann zu sein.

Denn ab hier schien es beinahe nur diesen einen Weg in die Gewalt, ins Töten von „Feinden“, in den Krieg zu geben, um weiteren Reputation zu erlangen. Nun errichtete er das Patriarchat auf Kosten der Frauen. Die lassen sich das in den modernen Gesellschaften nicht mehr gefallen, wollen, wie er, selbstbestimmt und frei über sich und ihr Leben entscheiden – und das kränkt den Mann … als Versorger und großen Motz. Jetzt weiß er scheinbar nicht mehr, wer er ist, der gekränkte Mann.

Was ist eine Kränkung?

Kränkung ist ein tiefgreifendes psychologisches Phänomen, das weit über bloße Verletzung oder Unannehmlichkeit hinausgeht. Es handelt sich um eine emotionale Reaktion auf eine wahrgenommene Herabsetzung, Missachtung oder Entwertung durch andere, die das Selbstwertgefühl und die Identität einer Person tief berühren kann. Also ist der Titel „Der gekränkte Mann“ nicht zynisch zu lesen, sondern an mancher Stelle sehr, sehr ernst zu nehmen.

Eine Kränkung geht oft mit Gefühlen der Scham, Wut oder Traurigkeit einher und kann zu einem nachhaltigen Eindruck von Verletzung führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die kränkende Handlung oder Bemerkung einen wunden Punkt oder eine Unsicherheit trifft, die für das Individuum von zentraler Bedeutung ist. Kränkungen können sowohl aus zwischenmenschlichen Beziehungen als auch aus sozialen oder beruflichen Interaktionen resultieren.

Das Besondere an Kränkungen ist, dass sie nicht nur durch offensichtlich negative Interaktionen ausgelöst werden können, sondern auch durch Handlungen oder Bemerkungen, die vielleicht gar nicht böswillig gemeint waren. Es ist die subjektive Wahrnehmung und Bedeutungszuschreibung durch die betroffene Person, die eine Situation zu einer Kränkung macht.

Ist die „Verteidigung eines Auslaufmodells“ ein Rückzugsgefecht

Die Rezeption des Buches „Der gekränkte Mann“ variiert: Einige Kritiken zeichnen ein Bild von Haberls Werk als provokativ und kontrovers. Er setzt sich mit der Idee auseinander, dass der moderne Mann zwischen dem Wunsch nach traditioneller Maskulinität und den Anforderungen eines veränderten Verständnisses von Geschlechterrollen gefangen ist. Haberl selbst erlebt und beschreibt seine Skepsis gegenüber bestimmten Entwicklungen der Geschlechterdebatte, wie der Forderung, eine Skulptur an einem amerikanischen College zu entfernen, weil sie Stress auslöse, als beispielhaft für einen hypersensiblen Zeitgeist, der alle Formen von Diskriminierung überbetont​​ (Wokeness).

Wir müssen uns schon sehr genau anschauen, welches Auslaufmodell da gemeint ist und ob es tatsächlich der Verteidigung bedarf oder ob es sich überhaupt lohnt, es zu verteidigen. Da kommen wir schnell dahin, dass wir alle nur Menschen sind. Wir sind unperfekt, fehlerhaft, verletzbar und besitzen Würde. Ob Mann oder Frau, Kind oder Großvater. Wenn wir das nicht anerkennen und uns nicht bewegen, dann befinden wir uns weiter in einem dunklen, destruktiven Schatten. Aber in diesem Buch wird das Licht angeschaltet. Der Autor sucht in den aktuellen Phänomenen und Rollmodells den wirklich echten Mann herauszufiltern. Das lohnt sich zu lesen.

Für mich persönlich ist ein Mann ein Mensch mit Testikeln. Es gibt ein paar Wesensmerkmale, die teils liebenswürdig, teils befremdlich erscheinen, wobei es gern variiert, was was ist. Und was dabei angeboren oder kulturell erlernt ist, scheint weitestgehend, und zwar allen unklar. Die erhöhte Aggressivität scheint angeboren, die schlechten Witze, die der Mann unter seinesgleichen reißt ebenfalls, er hat mehr Muskeln, ein schwereres Gehirn und eine tiefere Stimme, meist auch mehr Körperbehaarung und ein hervorgehobener Testosteronkreislauf. Abgesehen davon, dass sein Same kann weibliche Eizellen befruchten kann, scheint es das gewesen zu sein mit der Biologie. Also erscheint der Rest als Rückzugsgefecht?

Das Buch „Der gekränkte Mann“ scheint vor allem die Zwiespältigkeit und die inneren Konflikte des modernen Mannes zu thematisieren, der einerseits Verständnis für feministische Anliegen aufbringen möchte, andererseits aber das Gefühl hat, selbst zum Ziel unfaire Kritik zu werden. Dabei betont Haberl die Notwendigkeit, mit Männern Geduld zu haben und sie nicht der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern sie zu ermutigen, sich einer Zukunft zu öffnen, die auch ihnen gefallen könnte​​.

Fazit

In „Der gekränkte Mann: Verteidigung eines Auslaufmodells“ widmet sich Tobias Haberl der komplexen Thematik männlicher Identität und Rollenbilder im Kontext des modernen Feminismus und gesellschaftlicher Veränderungen. Haberl beschreibt, wie Männer sich als Geisterfahrer einer sich wandelnden Gesellschaft fühlen können, in der traditionelle Männlichkeitsbilder zunehmend hinterfragt werden. Der Autor stellt fest, dass der Feminismus Männer oft als problematisch darstellt, während sich diese zwischen Anpassung und Überforderung durch die neuen Erwartungen bewegen​​.

Interessanterweise findet Haberls Ansatz sowohl Zustimmung als auch Kritik. Einige Leser und Kritiker werfen ihm vor, er würde die Realität verzerren und sich zu sehr auf Einzelfälle konzentrieren, anstatt strukturelle Veränderungen zu befürworten. Andere wiederum sehen in seinen Ausführungen eine notwendige Auseinandersetzung mit der männlichen Rolle und Identität in einer sich wandelnden Welt​​​.

Zusammenfassend bietet „Der gekränkte Mann“ eine kontroverse und tiefgreifende Untersuchung der modernen Männlichkeit, die zum Nachdenken und zur Diskussion anregt, auch wenn nicht alle Schlussfolgerungen des Autors auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Es ist ein Buch, das vor allem für Leser*innen interessant sein dürfte, die sich für die Nuancen der Geschlechterdebatte und die vielfältigen Herausforderungen, denen sich Männer heute gegenübersehen, interessieren.

»Eine Streitschrift, die sich durch etwas auszeichnet, das in der Geschlechterdebatte leider selten geworden ist: Selbstreflexion und Nachdenklichkeit.«

Stern
Buchcover: Der gekränkte Mann

Der gekränkte Mann – Verteidigung eines Auslaufmodells

von Tobais Haberl
256 Seiten, Piper Verlag (2022)
ISBN 3492071139
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Leseprobe Der gekränkte Mann

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