Sinngebung durch Unternehmen? Selbstbestimmung, Arbeit und die Frage nach dem Sinn

Buchcover: Sinnlos glücklich Wie man auch ohne Purpose Erfüllung bei der Arbeit findet

Ich kenne Männer, die ohne Arbeit nicht können. Sie können scheinbar nicht „sinnlos glücklich“ sein. Sie scheint ihr Lebensinhalt, sie identifizieren sich stark mit Leistung, Pflichterfüllung und Tatkraft. Sie wollen unbedingt ihre Familie ernähren (können) und haben manchmal eine Art starrsinnigen Ehrgeiz. Zur Ruhe kommen diese Leute nicht. Ihr Antrieb, etwas auf die Beine zu stellen, zu erschaffen, wegzuräumen, klarzumachen und fertig zu werden ist stark. Nur fertig werden sie nicht. Manchmal hält sie nur eine Krankheit auf, aber darum geht es hier nicht.

Das andere Ende der Skala „Erfüllung durch Arbeit“ bevölkern oft Frauen, die sich der Sinnfindung widmen. Natürlich gibt es auch genügend Frauen, die sich wie die eben geschilderten männlichen Arbeitstiere mit ihrem Ehrgeiz und der Gier nach Anerkennung – in unserer Gesellschaft meisten durch Geld ausgedrückt – identifizieren. Aber sie sind oftmals eher in der Lage, einen Sinn in ihrer Tätigkeit zu suchen, versuchen sich selber zu verwirklichen und ihre verlorenen Seelen in der Arbeit wiederzufinden.

Dazwischen siedeln sich die „New-Work-Konzepte mit Sinnstiftung“ an. Gesellschaft unabhängig und übergreifend. Die Firma als Familienersetzt und Sinnstiftungsmaschine. Klingt komisch, ist aber genau so. Darüber handelt Sinnlos glücklich – Wie man auch ohne Purpose* Erfüllung bei der Arbeit finde von Professor Ingo Hamm!

Der Existenzialismus der Arbeit

Das Arbeitsleben wandelt sich, und viele Menschen fühlen sich gefordert, nicht selten auch überfordert. Sie suchen dabei nach Sinn, suchen nach Antworten auf die Frage: Warum? Wieso macht man den Job eigentlich, in einem Unternehmen, das man nicht richtig kennt, dessen Chef man nicht mag, in einer Wirtschaft, die man nicht mehr versteht? Viele Unternehmen versprechen ihren Mitarbeitern viel guten Zweck und hehre Ziele, auf Neudeutsch „Purpose“. Würden Sie nicht gerne etwa in einem Unternehmen arbeiten, das mit dem Glaubenssatz wirbt: „To inspire and nurture the human spirit“? Dann stellen Sie sich besser darauf ein, bei einer Kaffeehaus-Kette hinter dem Tresen zu stehen, statt heldenhaft den Hunger in Afrika zu bekämpfen.

New-Work-Konzepte mit Sinn durch Arbeit, mit dem allgegenwärtigen „Why“, versprechen viel, können aber wenig halten. Arbeit wird zur Ersatzreligion; Missions, Visions & Leitbilder wirken wie modernes Opium des arbeitenden Volks. Trotz neuer Freiheiten bleiben Unzufriedenheiten bestehen, und man jagt immer dem nächsten, besseren und vor allem sinnvolleren Job hinterher.

Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt, war Berater bei McKinsey & Company, arbeitete dann auf Konzernseite in Human Resources und Kommunikation und folgte schließlich seiner Leidenschaft für angewandte Forschung und Beratung.

Überblick über das Inhaltsverzeichnis Sinnlos glücklich

  • Vorwort ohne Sinn – dafür mit Verstand
  • Der Unsinn mit dem Sinn
  • Warum überhaupt Sinn
  • Die Psychologie kennt keinen Sinn
  • Die Philosophie kennt viel mehr Sinn
  • Arbeit neu denken – ohne Sinn
  • Sisyphos 2.0 – Die Lust zu bewegen
  • Selbst Sinn und glück finden – einige Anregungen

Fazit

Was ist noch mal Existenzialismus? Dieser wird ins Zentrum dieses Buches gestellt und ich finde das spannend. „Existenzialismus ist philosophische Strömung, die der gelebten Existenz den Vorrang einräumt und die es ablehnt, diese Erfahrung auf ein Konzept, eine Definition oder eine Essenz zu reduzieren.“

Ich habe durch dieses Buch einmal mehr festgestellt, dass ich ein Existenzialist bin, ohne Sartre, Simone de Beauvoir oder Albert Camus (Die Pest habe ich angelesen) überhaupt gelesen zu haben. Für mich ist das ganz natürlich. Ich war schon immer sehr skeptisch Unternehmen gegenüber, die die Welt zu einem besseren Ort, ihre Mitarbeiter zu besseren Menschen, die so taten, als würde ich bei ihnen Erfüllung finden und all das, was ich bräuchte. Ich brauchte aber immer mehr Freizeit und auch mehr Geld. Und zog weiter.

In dem Buch Sinnlos glücklich – Wie man auch ohne Purpose* Erfüllung bei der Arbeit findet geht es viel um Philosophie, aber nicht im abstrakten Sinn, sondern im … konkreten. Manche Formulierungen nicht nicht sehr eingängig und zuweilen vertrackt. Im Großen und ganzen aber ist es gut zu lesen.

„Wir müssen und Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“, wird aus einem Essay von Albert Camus zitiert. Daran wird deutlich, dass es unsere Bewertung ist, die jeder Sache einen Sinn gibt. Sie kommt aus uns selber, nicht vom Arbeitgeber beispielsweise.

Streckenweise brisant, meist hochinteressant wird das Thema Arbeit – aus meiner Sicht ein klares Männerthema – intensiv beleuchtet. Ich kann an dieser Stelle nicht alles anführen, nicht mal Wesentliches, da das Buch so breit mit den vielfältigen Aspekten von Arbeit umgeht. Sein historischer Bezug, die Belesenheit und Kenntnis des Autor Ingo Hamm, die Herausarbeitung der Zusammenhänge, macht es für alle zu einer … sinnvollen Lektüre. Schaut mal in das Video von Ingo Hamm am Ende des Beitrags rein.

Ob Mann, ob Frau, ob Auszubildende oder Manager, Unternehmer oder Minijobberin – hier findest du vielleicht die Antwort auf deine Sinnkrise was deine Arbeit und deine Selbstverwirklichungsziele angeht. Gar nicht so sehr in psychologischen Ratgebern oder in Coaching-Bücher. Denn, und damit schließt das Buch im „Nachwort mit Alternativen zum Sinn“:

„Gibt es eine Alternative zu einem sinnerfülltem Leben?
Nein. Nicht eine, sondern dutzende. Denn Sinn ist das, was man draus macht.“

Genau das ist auch meine Erkenntnis über das Leben. Ich habe mit Krankenpflege versucht meinem Leben und meiner Arbeit einen Sinn zu ergeben, und bin damit gescheitert. Viel später kam ich darauf, dass es eigentlich egal ist, was du machst. Jede Arbeit, jede Tätigkeit kann sinnvoll sein und auch eine angeblich „sinnlose“ Aufgabe, die wir auch in einer durchaus sinnhaften Tätigkeit so empfinden, ist eingerahmt in etwas Größeres: unsere Existenz.

Und auch diese ist sinnvoll, aber nicht aus sich heraus, sondern diesen Sinn muss wir unserem Leben und unserer Arbeit erst geben. Und für mich hängt Erfüllung und Sinn maßgeblich mit maximaler Selbstbestimmung zusammen.

Daher warten wir nicht auf den richtigen Job oder auf einen Chef, der uns diesen Sinn präsentiert. Das Buch Sinnlos glücklich hat so viele Zitate brillanter AutorInnen, dass wir in diesen Buch durchaus das finden können, was wir in unsere Arbeit – oder unserer Haltung zu Leben und Arbeit – bisher nicht gefunden haben.

Sinnlos glücklich – Wie man auch ohne Purpose* Erfüllung bei der Arbeit findet

Warum Sinngebung durch Unternehmen keinen Sinn macht, und wie man dennoch, ganz ohne Sinn, Erfüllung in der Arbeit findet.

von Prof. Ingo Hamm
Buch hier kaufen
259 Seiten, Vahlen Verlag (26. November 2021)
ISBN 3800667592
Gebundenes Buch 26,90 Euro

Video mit dem Autor von Sinnlos glücklich

https://youtu.be/IvARa-kSXRo
Prof. Dr. Ingo Hamm – Sinnlos glücklich: Wie Arbeit auch ohne Purpose erfüllend sein kann

* Purpose: Purpose ist heutzutage ein wichtiger Begriff in der Unternehmenswelt. Dieser aus dem Englischen entlehnte Begriff bezieht sich auf den Sinn und Zweck eines Unternehmens. Es ist die Motivation, die im Unternehmen tief verankert ist und dauerhafte Gültigkeit hat.
Quelle: clevis.de

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