Ist nicht einfach, sich auf diese Gedanken einzulassen. Aber „was Männer kosten“ ist tatsächlich ein interessanter Ansatz des Wirtschaftswissenschaftlers und Männeraktivisten Boris von Heesen. „Das Patriarchat belastet alle – auch die Männer“, stellt er in seinem hier vorgestelltem Buch fest. Mir stellt sich die Frage, ob er sich der Ursache dieser schrecklichen Entwicklung, die den Planeten zerstört und schon unzählige Menschenleben gekostet hat (alle Eroberer und Diktatoren, Feldherren und Massenmörder waren Kerle), ob er sich der Vorherrschaft der Männer annähert. Oder ob das Buch nur das Ergebnis der männlichen Dominanz beleuchtet.
Seine Vision: indem wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Geschlechter ihre Potentiale frei von patriarchalisch geprägten Klischees wie beispielsweise „Stärke“ und „Dominanz“ sowie festgefahrenen Rollenmustern entwickeln können. Das wird nicht einfach, der es geht an die Grundlagen unserer sehr alten Kulturen.
Eine kleine Nebenbemerkung sei mir erlaubt: Auf dem Buchrücken wird Konstantin Wecker zitiert, der bisher mit einem unbändigen Hass auf die USA und mit linksradikalen Kommentaren aufgefallen ist. Im Jahrbuch Männeraufbruch, das 2018 von Autor Boris von Heesen herausgegeben wurde, kommt Veit Lindau, ein langhaarigen Coachguru der „psycho-spirituellen Szene“ (furchtbar), zu Wort, gegen den ich auch manche Ressentiments habe und den ich nicht als Stimme in der Männersache identifiere. Aber das nur nebenbei. Schauen wir mal, was das Buch Was Männer kosten uns zu sagen hat:
Der hohe Preis des Patriarchats
Gewalt, Unfälle, Sucht, Diskriminierung, Hate Speech und Extremismus – Männer dominieren die Statistiken des Abgrunds: Sie verursachen doppelt so viele Verkehrsunfälle, begehen mit Abstand die meisten Straftaten und belegen deshalb auch 94 Prozent der Plätze in deutschen Gefängnissen. 75 Prozent der Alkoholtoten jedes Jahr sind männlich und mehr als 80 Prozent der häuslichen Gewalt geht von Männern aus.
Diese Zahlen stehen nicht nur für Schmerz und Trauer – sie verursachen auch immense Kosten. Boris von Heesen trägt erstmals Schritt für Schritt zusammen, wie hoch der Preis ist, den wir alle für toxische männliche Verhaltensweisen bezahlen: Über 63 Milliarden Euro kosten sie dieses Land jedes Jahr – mindestens. Er erläutert die Ursachen und zeigt Wege auf, wie wir diesem dramatischen Ungleichgewicht begegnen können: indem wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Geschlechter ihre Potentiale frei von patriarchalisch geprägten Klischees und festgefahrenen Rollenmustern entwickeln können.
Boris von Heesen ist Wirtschaftswissenschafter mit ersten beruflichen Stationen bei der Diakonie in Bayern und der Drogenhilfe in Frankfurt am Main. Er ist Gründer eines der ersten deutschen Online-Marktforschungsinstitute. Heute arbeitet er als Männerberater und geschäftsführender Vorstand eines Jugendhilfeträgers. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich als Autor und Referent mit dem Thema kritische Männlichkeit und veröffentlichte bereits zwei erfolgreiche Bücher zum Thema.
„Die Nebenwirkungen des Patriarchats sind erheblich und teuer“
Bei Was Männer kosten handelt es sich um eine mehr oder weniger umfassende Bestandsaufnahme der Zerstörungen, die Männer in die Welt anrichten. Diese sind erheblich. Kapitel für Kapitel wird sehr gut begründet „Was Männer kosten“. „Messbare Kosten“ sind „Kosten durch Gefängnisaufenthalte“, durch häusliche Gewalt, Süchte, Kriminalität, ungesunde Ernährung, Jugendhilfe, Hooligans, Verkehrsunfälle und Umweltschäden. „Nicht messebare Nebenwirkungen“ werden ebenfalls aufgelistet und erklärt: „Lebenserwartung und Suizid„, „Hass auf Frauen“, Rechtsextremismus, Sexualität und … Sport.
Und was bringen Männer im Patriarchat ein?
Was Boris von Heesen mit seinem an sich lobenswerten Ansatz komplett ausblendet, sind die Gewinne, die Männer machen und ermöglichen. Denn selbstverständlich kosten sie nicht nur – sie bringen auch was ein. Auch toxische Männlichkeit kann Mehrwert erzeugen und Gewinne erwirtschaften, von denen andere profitieren. Heißt: Es wird keine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht, sondern „nur“ der bittere Preis für die fehlgeleitete Männlichkeit dargelegt. Aber Männer schaden oder kosten nicht nur, sie bringen natürlich auch etwas ein, erwirtschaften Geld und schaffen Mehrwert. Das ist leider die Schattenseite dieses Buch Was Männer kosten und daher kann man es einseitig nenne. Warum er das übersehen hat oder nicht klarmacht, ist mir unklar. War das vielleicht der Verlag, der diese Stellen rausstreicht?
Interessant wird es aber an der Stelle, woher diese Destruktivität kommt und was man dagegen tun kann. Vielleicht braucht es erst dieses Sichtbarmachen Was Männer kosten unter dem Blickwinkel männlicher Vorherrschaft auf diesem Planeten, um deutlich zu machen, dass es dringend Veränderungen braucht. Dabei hat Boris von Heesen einen besonderen, seinen eigenen Blick. Aspekt wie männerbetonende Geschichtsschreibung, die auch Geschichten der Mächtigen sind, fehlen, und auch die Ursache des Patriachats wird nicht wirklich herausgearbeitet. Versteht man die Ursache der Krankheit, ergeben sich auch eher wirksame Gegenmaßnahmen und Heilungschancen.
Was Männer kosten – Der hohe Preis des Patriarchats
von Boris von Heesen
Buch hier kaufen
304 Seiten, Heyne Verlag (9. Mai 2022)
ISBN 3453606248
Paperback 18,- Euro