Der neue Film von Roman Polanski in unseren Kinos ist ursprünglich ein französisches Theaterstück von Yasmina Reza. Und so spielt Der Gott des Gemetzels dennoch ausschließlich in einer Wohnung, in der sich zwei Paare treffen, um den gewalttätigen Streit ihrer pubertierenden Jungs zu lösen. Immerhin wurden dem Knaben des Ehepaar Longstreet, in dessen Wohnung wir uns befinden, zwei Schneidezähne ausgeschlagen. Was sich dann zwischen den Eltern, zwischen den beiden Paaren entwicklet, ist Psychologie, ein Drama. Und ein richtiges Vergnügen.
Ist Der Gott des Gemetzels ein Stück über Partnerschaft und Ehe? Oder eines über Pubertät und Erziehung? Geht es um Jungen-Freundschaft und Gewalt? Oder Konflikte allgemein und die Verantwortung des Einzelnen? Oder was ist das los beim Gott des Gemetzels? All dies sind Themen, die dort behandelt werden. Und sie vermischen sich und erreichen subtile Tiefen der menschlichen Psyche. Dennoch bleibt es eine Komödie. Und das ist tatsächlich große Kunst.
Der Gott des Gemetzels des mittlerweile französische Staatsbürgers Roman Polanski – wir erinnern uns an seinen Gefängnisaufenthalt in der Schweiz, das gescheiterte Auslieferungsgesuch der USA wegen einer Vergewaltigung 1977 – ist hochkarätig besetzt. Und das zahlt sich aus. Jodie Foster, Kate Wislet, John C. Reilly und Christoph Waltz machen diesen Streifen zu einem unvergesslichen Erlebnis. Christoph Waltz spielt herausragend den zynischen, aber auch sehr realistischen Anwalt Alan Cowan, der Vater des Schlägers. Mein Lieblingssatz von ihm im Film: „Wir sind alle total cholerische Bastarde!“
So benehmen sie sich nämlich die Erwachsenen da. Alle gegen alle geht es, man steigert sich unwillkürlich in die gewöhnlichen Dramen des Alltags und versteigt sich in latenten Konflikten. Die Ehepaare untereinander beginnen sich anzuhassen, aber doch irgendwie zusammenzuhalten, die Männer verbünden sich gegen die Frauen und umgekehrt, und die Paare bekriegen sich langsam immer mehr. Natürlich liegt das auch am Alkohol, der verabreicht wird. Schottischen Malt-Whiskey, 18 Jahre alt, lässt die Dämme bärsten.
Diese Dämme sind die Fassade der Zivilisation und Kultur. Aussen hui, innen Pfui wäre zu einfach, trifft den Nagel gerade nicht den Kopf. Nicht, dass man sich nicht Mühe gebe, ein guter Ehepartner zu sein oder gute Eltern. Aber irgendetwas Wirres, Agressives, Verzweifeltes, Verletztes schlummert im Inneren von uns allen und befeuert den cholerischen Bastard in uns, der bei nächster Gelegenheit hervorzubrechen droht. Den Der Gott des Gemetzels.
Da sind die pubertären Entgleisungen der Jungs schnell Nebensache. Was sie ja auch sind, wie der Film im Schlussbild zeigt. Die Regeln das selber, die Burschen. Aber was machen die Erwachsenen? Sie zeigen die typischen Symptome von Großstadt-Neurotikern, die Woody Allen in viele Filmen so einzigartig portraitierte. Allerdings nicht so aggressiv und innerlich verwahrlost wie hier. Allen hat mehr Sympathie für die Störungen der Mittelschicht.
Beim Der Gott des Gemetzels stoßen wir deshalb auf den allgemeinen Stress, den Zeitmangel, das verloren gegangene Einfühlungsvermögen, die Unfähigkeit, konstruktiv zu kommunizieren und Konflikte zu ertragen, die vielen Nebenkriegsschauplätze des sozialen Engagements in fernen Erdteilen … und die Überforderung in der Erziehung.
Der Gott des Gemetzels ist ein toller Film, ein amüsanter Streifen, Kino, dass man gesehen haben muss!
Der Gott des Gemetzels – Offizieller Trailer
Die stärksten Szenen des Films sind die des spontanen Erbrechens und seinen Folgen. Die schächste Szene fand ich die nach dem Versenken des Blackbarrys in der Blumenvase und das Gelächter der Frauen und die Verzweiflung der Männer. Leicht übertrieben. Auch das Betrinken hätte so nicht sein müssen, denn vor allem Fondmanagerin Nancy (Kate Winslet) ist am Ende total besoffen. Muss nicht sein.
SPIEGEL Online: Polanskis „Gott des Gemetzels“ – Auf sie mit Gebrüll!
ZEIT Online: Film „Der Gott des Gemetzels“ – Von schlimmen Eltern
Übersicht der Kritiken auf FILM-ZEIT.DE: Kritik Der Gott des Gemetzels