Nur 56 Jahre alt durfte der Apple-Gründer Steve Jobs werden. Bauchspeicheldrüsenkrebs rafft ihn und seinen ruhelosen Geist nach jahrelangem Kampf dahin. Und nun sind sie voll die Blätter, Medien und Online-Portale mit Nachrufen und auflagenwirksamer Trauerarbeit. In Facebook überschlagen sich die Apple-Jünger – Fans genannt – mit psyeudreligiösen Web-Ritualen, wie etwa den Austausch des eigenen Avatars gegen ein Bild des verstrobenen Gurus. Ja, mein wirft noch ein R.I.P hinterher – Ruhe in Frieden / Rest in Peace – obwohl man als Netzbürger gar nichts zu tun hat mit jenseitigen Gemütszuständen.
Auch die Kollegen aus Silkon Valley bis hin Präsident Obama huldigen ihrer Kapitalismus-Ikone medienwirksam und eindringlich. Plötzlich menschelt es überall dort, wo sonst die Maschinen im Mittelpunkt stehen und ungleiche Verehrung genießen. So sie denn das machen, wozu sie geschaffen wurden: Unmengen an Geld zu verdienen. Unmengen.
Steve Job war ein Garant für Unmengen an frischem Geld. Vor allem seit dem iMac und der konsequenten Fortführung dieses Ansatzes mit den Erweiterungen des Internets mit dem iPod. Das iPhone, das in seiner neuesten Variante einen Tag vor seinem Tod auf den Markt kam, war, neben dem iPad, der technologische Höhepunkt in der iReihe. Kein schlechter Zeitpunkt, um abzutreten. Und dennoch ein viel zu früher „Blue Screen“ für das Vorbild so vieler Steakesser, Hobbyfischer, Rennautofahrer, Biertrinker und Technik-Rambos dieser Erde.
„Er war ein Heiliger, ein Visionär um den die Menschheit trauert, ein Technik-Übervater …“
„iPad Tortured to Death!“ Alex Jones erklärt uns in dem Video sehr eindringlich und überzeugend, dass das wahre Leben offline stattfindet. Dass die Opfer der Kriege und der Folterungen unserer Aufmerksamkeit bedürfen und nicht die vielen kleinen technischen Spielzeuge …
Warum wird dieser Steve Jobs nun so dermaßen bewundert, dass man schon von einem Kult sprechen kann. Im Zusammenhang mit Apple und Jobs tauschen immer wieder Begriff aus der Religion auf. Da diese hier gar nichts zu suchen haben, ist Obacht geboten. Was also ist das, was hier bewundert wird?
Es fällt auf, dass es kaum kritische Stimmen gibt. Obwohl gerade zum Launch des neuen iPhones wieder Apples Geschäftsgebaren in Fernost bloßstellen. Es wird nicht zum ersten Mal behauptet, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen bei Foxconn, einen Apple-Zulieferer in China, nicht nur schlecht bezahlt, sondern auch schlecht behandelt werden. Siehe dazu auf ZEIT ONLINE Apples Erfolge sind billig erkauft.
Es ist doch nicht das, was am Apple-Gründer bewundert wird, oder? Nicht die gigantischen Profite, die
der Konzern einfährt, in dem der billigst – billigst unter harten Bedingungen für die Angestellten – produzieren lässt und somit astronomische Gewinnspannen erzielen kann. Anders ausgedrückt: Apples Geräte könnten viel billiger sein. Aber dann umschwirrte sie nicht mehr der Weihrauch der Postmoderne: die Unerreichbarkeit und Exklusivität.
Ich kenne ihn nicht. Die die ihn verehren auch nicht. Wenn ihn jemand kennt, dann seine Familie, seine Freunde. Er war aber sicher ein Workoholic, ein Techniker und Selbst- aber auch Fremd-Ausbeuter? Das weiß man schon von Alters her – jedenfalls die, die es wissen wollen – dass es einen Zusammenhang zwischen Innen und Außen gibt. Wenn ich bereit bin, meine Gesundheit für geschäftlichen Erfolg zu opfern, ich also Raubbau an mir selbst betreibe, mich selbst ausbeute und meine Leben gering schätze, tue ich das auch bei anderen. In China. Im Westen würde das ja keiner Mitmachen.
Das Image er Apple-Geräte ist indes derart sauber und geleckt – was auch an ihrem ungewöhnlichen und interessanten, teils genialen Design liegt – dass es den Technik-Jüngern nicht in den Sinn kommt, Apple, mit etwas Schlechtem, Ungerechtem zu verknüpfen.
Natürlich kann man erfolgreiche Unternehmer bewundern und Ihnen Ehre und Anerkennung zukommen lassen. Auch erfolgreiche Designer sollen für ihre tollen Arbeiten im Luxus schwelgen. Aber wo ist die Grenze? Da ist die Grenze, wo es anderen schadet. Und es gibt eine inhaltliche Grenze, wo es in Religiöse schwappt. Apple ist keine Religion. Und auch wenn es mich nicht wundern würde, wenn Steve Jobs am dritten Tage wieder auferstünde von den Toten, er ist kein Erlöser.
Apropos. Vor kurzem kam der Papst zu Besuch und redete u.a. im Bundestag. Dies erregte bei gewissen Kräften eine offenbar ähnliche Abscheu, wie ich sie zu der Jobs- und Apple-Verehrung empfinde. Und auch viele Medien bliesen ins Horn der Kirchenschelte und Dank der iPhones verbreitete sich überall der alte Scheiß mir den Kondomen. Es wird nämlich behauptet, die katholische Kirche sei Mitschuld an den AIDS-Toten in Afrika, was vollkommener Schwachsinn ist. Der Papst und seine Kirche wird also nach Strich und Faden verunglimpft und von allen Seiten kritisiert. Steve Jobs nicht. Er ist der Kapitalheilige der Marktwirtschaft. Die Männer, die versuchen Werte hochzuhalten haben bei den iPad-Kräften und beim Verschwörungssender Facebook keine Chance. Hier, in und mit diesen Medien, zählen eher Besessene und speckhaarige Techniknerds. Hat mal jemand versucht, sich mit Technikern zu unterhalten? Worüber denn? Wie geht das? Es passt alles nicht zusammen. Es ist verdreht, es ist nicht gut.
Gaby Gerster, die Headline-Schwurbel des ZDF-Nachrichten-Drama heute, bedeutungsschwängerte heute ebenfalls den armen Jobs. Auch dort keine kritische Masse, nur der sentimentale Tweet der Hausfreundin Häkelschwein. ALlerdings erfuhren wir, dass Steve bei Stiefeltern aufwuchs. War er deshalb so getrieben? Hat seine Herkunft und frühe Jugend etwas mit seiner Erkrankung zu tun? Ist geschäftige Genialität eine Kompensation, eine Sublimierung, wie die Freudianer sagen würden. Die „wahre Geschichte“ würde manches vielleicht in einem anderen Licht erscheinen lassen und relativieren. Das würde Steve Jobs und das Bild, das seine Kunden und die Öffentlichkeit von ihm haben, wieder erden. Würde Normalität und richtiges Leben in Zusammenhang mit den Apple-Tools impfen, etwas, das uns heute unmöglich erscheint …
Ich führe diesen Vaterblog auch, um diese Themen zu behandeln: Was sind unsere Vorbilder, wenn wir die Vorbilder unserer Kinder sind. Nicht sein wollen, sondern sind. An wen oder was halten wir uns? Was sind unsere Werte? Und sind wir in der Lage diese unsere Wert erfolgreich an unseren Kinder weiterzugeben? Was natürlich nur gelingt, wenn wir selbst sie LEBEN.
Das was im Zusammenhang mit Apple und dem Tode seines Gründers geschieht, wirft ein erschreckendes Licht auf unser Wertesystem. Und ich warne davor. Diese Art von Lebenszeit raubender Technik, diese Verehrung von Arbeit um der Arbeit willen, von Workoholismus und Selbstausbeutung, ist falsch. Ich werde alles daran setzen, um meine Tochter davor und von diesen Vorbildern zu bewahren.
Menschen leben in Elend und werden ausgebeutet, sterben und werden erschossen, gefoltert und erhängt. Wir wissen nicht, wie es unserem Nachbarn geht, sehen unsere Kinder höchstens 1 Stunde am Tag, vergeuden unserer einmaliges, wundervolles Leben mit sinnlosem Scheiß, anstatt zu lieben und zu ficken (nur für Erwachsene), zu pflanzen und zu gärtnern, anstatt gut zu essen, zu wandern und zu klettern, zu spielen und zu schreiben …
Steve Jobs prägte den Lifestyle einer ganzen Generation. Einen exklusiven Scheiß-Livestyle für Besserverdiener auf Kosten von anderen.
Nein, Leute. Ich gebe zu, dass ich eine gewisse Verachtung für die unkritische Vergötterung eines Turbo-Kapitalisten hege. Ich möchte nicht, dass meine Tochter in so einer Welt aufwächst. Und ich will mit einer Gesellschaft, die derart verschissene Werte kultiviert, nichts zu tun haben. Ich möchte etwas anderes. Begegnung statt Facebook, quatschen statt chatten, Äpfel klauen statt Apple-Fans baschen, ich möchte Gänseblümchen malen statt Technik bewundern. Und ich werde heute keine Nachrichten schauen, weil ich es nicht mehr ertragen kann dieses Beweihräuchern einer Computer-Ikone. Von wegen Weltverbesserer!
Spliff – Computer sind doof (live 1982)
„Wie kann man ein „Apple-Fan“ sein? Das verstehe ich nicht. Fakt ist, dass er den Mist in China fertigen lässt, von gearschten Arbeitern für 0,80 Cent/Std, und mit seinem Laden gigantomanische Gewinnspannen einfährt. Die Heiligenverehrung und vollkommen unkritisch Betrachtung seiner Person, die gerade stattfindet, ist aus meiner Sicht irgendwie krank. Sorry.“
„Jobs ein Visionär? Gandhi war einer, Mandela, Martin Luther King, Willi Brandt. Jobs war ein innovativ denkender Turbokapitalist. Mehr nicht.“
„Alle Apple-Jünger jetzt App downloaden oder updaten auf iDead 1.0!“
„Apple-Fan zu sein ist eine besonders nerdige Form von Neurose. Frauen sind kaum betroffen. Deshalb nennt man sie ja „die bessere Hälfte!“
#apple #jobs
Foto: Bestimmte Rechte vorbehalten von Steve Jobs 2011 (white) von Charis Tsevis
5 Kommentare
naja, es ist richtig, dass Apple so produziert, wie auch viele andere Firmen – beispielsweise kommen die meisten Teile in einem vermeintlich deutschen Auto auch nicht mehr von hier. Aber es geht doch um die Person Jobs, die verstorben ist – natürlich ist sie eng verknüpft mit der Marke Apple, aber trotzdem war er ein genialer Stratege. Das braucht man ihm nicht absprechen.
Man könnte auf Blogs auch über die Trauerarbeit schweigen… aber es geht hier ja um Besucherabfischen, gell?!
Nee, Sascha, darum geht es nicht. Mir geht es um die Sache wie beschrieben. Natürlich produzieren andere Hartware-Hersteller genauso. Da muss man überall den Finger in die Wunde legen. Es ist nicht alles Gold was glänzt. Mir geht es in erster Linie um die Werteentwicklung in den Medien und unserer Gesellschaft. Und ich meine, es werden die falschen Leute zu viel umschmeichelt!
ist quer durch alle Branchen so… leider.
Du magst Recht haben mit Deiner Meinung über den „Kapitalisten“, aber wenn es danach geht, kannst Du nur von einigen wenigen Firmen Produkte kaufen, denn mittlerweile produziert jeder billig in China.
Allerdings hat Steve Jobs technisch viele Weichen gestellt und ohne ihn gebe es verschiedene Dinge nicht, die ich nicht mehr missen möchte.
Religion hin oder her … ob nun das Fangehabe für einen „Filmstar“ oder „Sänger“, sie haben der Menschheit alle keinen besondern nutzen erwiesen und trotzdem werden sie verehrt.
Ich glaube Geld hat bei Steve Jobs nie eine große Rolle gespielt, er war Egozentriker und Perfektionist. Bei einer so großen Firma gibt es genug andere denen nur der Gewinn wichtig ist … um jeden Preis (siehe Aktienkurs).
Ja, Maria, das ist schon richtig. Es geht auch nicht darum, Steve Jobs nicht den Respekt und die Anerkennung zu zollen, die er verdient hat. Aber was wir heute sehen, geht weit darüber hinaus. Und gegen diese pseudo-religiöse und vollkommen unkritische Verehrung wehre ich mich!