Immer wieder fällt in Männerzirkel und Männergruppen auf, dass Kerle auch eine Opferrolle für sich reklamieren. Stichwort: Der unterdrückte Mann! Spricht man von Femiziden und Gewalt gegen Frauen, kommt sehr schnell WhatAboutism auf, dass Männe ja wohl auch unter männlicher Gewalt leiden würden. Manchmal sogar, dass Männer auch unter häuslicher Gewalt litten und von Frauen geschlagen würde, dies aber, weil ein Tabu, gar nicht ernst genommen würde. Das verzerrt die Sache natürlich, umnebelt das klare Denken und trifft den Punkt nicht. Ein Mann aus einer Männergruppe schickte mir dieses Bosetti-Video und das war gut so. Ich kann es nur empfehlen.
In der neuesten Folge von Bosetti Late Night wagt Sarah Bosetti den Blick auf ein oft übersehenes Thema: die Benachteiligung von Männern, „der unterdrückte Mann“. Gemeinsam mit Torsten Sträter, Ralf Bönt und Expert:innen vom Bundesforum Männer diskutiert sie, ob und wie Männer in unserer Gesellschaft unter strukturellen Nachteilen leiden – und welche Verantwortung Frauen möglicherweise übernehmen müssen. Eine spannende Runde, die Mythen aufbricht und neue Perspektiven bietet.
In dem Interview mit Sträter kommt heraus, dass dieser, der regelmäßig zur Verhaltenspsychotherapie geht und unter Depressionen leidet, in seiner Kindheit von seinem Vater geschlagen wurde und aufwuchs in der Angst, ständig etwas falsch gemacht zu haben. Grauenvoll. Das sind aber die Themen, mit denen wir Männer uns auseinandersetzen müssen.
Wir dürfen auf keinen Fall uns gegen die Frauen und gegen den Feminismus stellen. Der es am Ende erst möglich gemacht hat, dass auch wir Männer über unseres Leid sprechen können. Aber es geht auch nicht um das Gegeneinander. Gute und aufrechte Männerarbeit geht nicht ihne Feminismus. Männerarbeit funktioniert nicht unpolitisch, wie es gegenwärtig betrieben wird. Männer- wie Frauenarbeit brauchen Werte, Offenheit, Toleranz und Wohlwollen.
Der unterdrückte Mann? Die unterdrückte Frau? Unterdrückte, benachteiligte Menschen – darum geht es in unseren Gesellschaften. Das muss aufgebrochen werden. Die Frauen machen ihre Arbeit, auch wenn es Rückschritte gibt und viele junge Frauen ein traditionelles Rollenmodell bevorzugen und mit ihrem Ehering in die Kamera glitzern. Männer freut das. Aber das ist nicht die Antwort auf die komplexen Fragen der Zukunft – Krieg und Frieden, Klimawandel und soziale Gerechtigkeit, Gemeinwohl und Gemeinschaft, Lebens- und Arbeitsräume und die große ethische Frage, wovon wir eigentlich Leben wollen. Bisher hatten die Frauen den größten Preis bezahlt. Wir Männer sollten uns demütig zeigen und uns öffnen für ein Leben jenseits von Konkurrenz, Kampf und Kokophonie.
Das Video von Bosetti ist absolut sehenswert. Ein wichtiger Beitrag zur Diskussion, um Frauen Macht abgeben müssen, weil Männer sich unterdrückt fühlen. Kleiner Spoiler: Wird hier glasklar ausgeräumt.