Hochschlafen bei BILD: Reichelt und die armen Frauen! Welche Rolle spielt hier wer?

Affäre Reichelt: BILD titelt: Wir sind Papst

Wer Chef-Redakteur ist hat Macht. Die BILD hat Macht. Macht das was oder macht mir das nichts? Wie kommt es, dass Frauen sich hochschlafen bei den Mächtigen und sind sie nur Opfer? Ist der Fall Julian Reichelt eine MeToo-Fall oder wird hier eine Sau durchs Dorf der unschuldigen schönen Jungfrauen getrieben?

Kann ein BILD-Chefredakteur mit Frauen machen, was er will?

Nun ist es mit dem Journalistenberuf nicht so einfach. Seit dem Aufstieg des Internets vor rund 20 Jahren ist der Beruf schwierig geworden. Schwierig, eine feste Anstellung mit gutem Gehalt zu bekommen. Viele freie unter den Journalisten und Journalistinnen, manche die gut ausgelastet sind und gut verdienen, viele andere, die sich so durchschlagen.

Wir können davon ausgehen, dass BILD ein guter Arbeitgeber ist. Das stimmt vermutlich das Geld und die Karrierechancen, es gibt Sozialleistungen und nette Kollegen. Und es macht sich in dem Metier nicht schlecht im Lebenslauf, wenn man dort mal mitgearbeitet hat. Dort finden wir also Bedingungen, die einem den Job schmackhaft machen, so dass man ihn behalten möchte.

Dass ein Chefredakteur ziemlich viel Macht war schon immer so. Dass manche Typen diese missbrauchen auch. Keine Ahnung, wie weit es her ist mit Solidarität und Betriebsrat bei der BILD. Das alleine kann schützen. Ganz abgesehen davon, dass die BILD eine scheußliche Zeitung ist, die vermutlich über Leichen geht, manchmal hetzt, Menschen bloßstellt und vorverurteilt, aufwiegelt, spaltet und mit Schmutz bewirft, ist, ziehen auch hier bestimmte Posten bestimmte Charaktere an.

Julian Reichelt kann ich mir auch gut als Oberarzt in der Chirurgie vorstellen. Keine Ahnung, ob er ein Narzisst ist, kann aber gut sein. Er hat sich Charme, ist klug und sehr gut in seinem Job. Als Ehrgeizling hat er sich alles selber erarbeitet, hat seine Aggression und seinen Selbstbestätigungsdrang in Karriere kanalisiert. Er sieht ja nicht schlecht aus, verfügt sicher über Witz, eine gute Wohnung, ein tolles Auto und … über Macht. Da werden sicher einige Frauen schwach.

Es heißt, Reichelt habe Untergebenen Frauen und deren Arbeit nach ihrer „Fuckability“ beurteilt. Die Frage ist hier aber, was für Schwachköpfe sich diesen Scheiß anhören. Habe die alle auf Angst um ihrer Job das Maul gehalten? Was ist das denn für ein Scheißladen, für den die arbeiten müssen? Oder? Außerdem hatte man bei der BILD nach dem Compliance-Verfahren im Frühjahr 2021 dem Fuckability-Julian mit  Alexandra Würzbach eine Frau in der Chefredaktion zur Seite gestellt. Und ihr gegenüber hat er auch seine Fuckability-Mist abgelassen?

Sind diese Frauen Opfer von sexuellem Machtmissbrauch durch Reichelt?

Don´t fuck the company oder Don´t fuck at the office! Obwohl diese Regel eigentlich bekannt sein sollte, sind Beziehungen und Affären auf der Arbeit keine Ausnahmen. Warum sollte es im Fall Reichelt anders sein? Es kommt überall vor, dass Vorgesetzte ein Auge auf junge Ladies mit Karriereambitionen oder einem schönen Arsch geworfen haben. Ist sicher hier und dort für manche Frauen nicht einfach zu bestehen. Schwierig wird es, wenn sie von dem Job abhängig sind. Dann wäre es schäbig vom Chef, diese Sache auszunutzen. Und trotzdem gehören zwei dazu. Keine Frau ist wirklich gezwungen, ihre Würde und ihren Stolz aufzugeben. Oder?

Ich hatte diese Gedanken schon, als ich auf die in diesem Sinne sehr lesenswerte Kolumne auf SPON von Bettina Gaus stieß: Die Entmündigung der Frau. Dort schreibt sie: „Es geht hier nicht darum, Julian Reichelt zu verteidigen oder gar reinzuwaschen. Eine Führungskraft, die heimlich eine Zahlung aus Firmengeldern an eine Geliebte veranlasst oder Beförderungen aus persönlichen Gründen ausspricht, schadet dem Unternehmen und braucht sich über eine Entlassung nicht zu wundern. Wenn jetzt jedoch einvernehmliche sexuelle Beziehungen pauschal als »Machtmissbrauch« eingestuft werden, dann entmündigt das diejenigen, die in der beruflichen Rangordnung unten stehen. »Unter dem System Reichelt haben wohl zahlreiche Frauen gelitten«, schreibt die »Neue Zürcher Zeitung«. Möglich. Aber nicht jedes Liebesleid ist Ergebnis verwerflichen Handelns.“

Es ist offensichtlich, das SPRINGER-Chef Döpfner seinen BILD-Chef gefeuert hat, weil er Angst um das USA-Geschäft des Verlages hatte. Dort, im prüden, konservativen Amerika herrschen etwas andere Moralvorstellungen, als bei uns. Die sehen schnell die Sache eng, gerade was politische Korrektheit angeht. Hieven aber den größten Lügner ihrer Geschichte in den Präsidentensessel.

„Der Autor des »NY-Times«-Artikels, Ben Smith, sagte der »Zeit« zum Fall Reichelt, ein US-Manager wäre »schon wegen jeder kleinen Untermenge dieser Vorwürfe, schon wegen fünf Prozent der Vorwürfe« sofort gefeuert worden. Ja, das ist gut möglich. Schließlich sind in den Vereinigten Staaten auch schon hochkarätige Politiker mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden, weil sie ihre Ehefrauen betrogen hatten.“, schreibt Bettina Gaus.

Ich jedenfalls glaube nicht daran, dass die Dinge immer so einfach und schwarzweiß sind, wie sie uns auch in diesem Fall erscheinen. Ich glaube an Menschlichkeit, an die vielen Fehler, die wir alle haben. Ich glaube nicht, dass es gut ist, bei der BILD zu arbeiten oder dort Chefredakteur zu sein. Ich glaube nicht an ehrgeizige Karrieristen, an Narzissten und an Macht. Und ich glaube nicht, dass Frauen immer Opfer sind oder Opfer sein müssen. Ein „Nein“ geht immer. Würde ist zwingend. Manches „Opfer“ liebt und selbst mächtige Chefredakteure können sich verlieben. Aber Würde und BILD-Zeitung, das ist eine andere Frage.

NEU: Juliane Löfflers Recherche zum Fall Julian Reichelt auf NDR

Titelbild: „Bild Zeitung“ by gri*su unter CC BY 2.0 Lizenz

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