In Deutschland herrscht Schulpflicht. Jedes Kind hat gefälligst zur Schule zu gehen. Der Staat hat die Oberhoheit über die Schulbildung, auch wenn es natürlich Private-Schulen, die oft genug einer religiös motivierten Ideologie folgen, in unserem Land gibt. Wir halten das normal, dass es diese Form der Schulpflicht gibt, für „gottgegeben“ hätte man früher gesagt. Aber es sind nicht alle Bevölkerungen derart staatsgläubig. In anderen Ländern gibt es so etwas nicht, da ist das Homeschooling, der Hausunterricht, wesentlich verbreiteter und selbstverständlicher. Nun fand der erste internationale Homeschooling-Kongress erstmals in Berlin statt. In diesem Zusammenhang gab es ein spannendes Interview auf Dradio-Kultur zu hören, das ich gerne zu Gehör bringen möchte.
Mich persönlich beschäftigt das Thema Schule sehr. Mein Töchterchen hat zwar noch gut drei Jahre Zeit – und die Grundschule ist etwas anderes – aber ich habe jetzt schon Angst davor, dass ihre Neugier und Lebendigkeit beeinträchtigt oder gar zerstört wird. Ich will keine angepasste, gute Schülerin, sondern ein lebendiges, menschliches Wesen. Schule muss Sinn machen. Deshalb bin ich stets hellhörig, wenn es um Alternativen geht, wenn es darum geht, das „Normale“ nicht als normal hinzunehmen und nach anderen, eigenen Wegen Ausschau zu halten.
Hier gibt es, wie sich herausstellt, viele Vorurteile – auf beiden Seiten. Auf Seiten derer, die ein berechtigtes Interesse daran haben, den Status Quo zu halten und auf Seiten der Kritiker, die genau diese Sache fürchten. In jedem Fall ist die Rolle des Staates immer zu hinterfragen, das ist mal meine Grundhaltung.
Unser dreigliedriges Schulsystem ist im Laufe der Zeit zu einer Farce geworden. Dennoch halten viele – zumeist konservative, „christlich“ inspirierte Zeitgenossen – daran fest. Was früher Volksschule hieß hatte vielleicht sogar einmal eine Berechtigung. Denn Bildung ist der Schlüssel für gesellschaftliche Entwicklung, Frieden und Wohlstand. Aber auch heute noch kann man die „mittlere Reife“ machen nun ist das Abitur Voraussetzung für eine gehobene Beamtenlaufbahn und ein sattes, sicheres Einkommen auf Kosten von … anderen.
Als ich noch dort hin musste, war Schule für mich ein notwendiges Übel, eine Krankheit, die irgendwann vorbei sein würde. Geheilt entlassen. Ich konnte es nicht erwarten, diese sinnlose und schreckliche Sache endlich hinter mich zu bringen. Schule war für mich mit tollen Kumpels jeden Tag was zu lachen zu haben, in den Pausen Fußball spielen oder später rauchen. Ich könnte länger von meinen Erfahrungen in meine Schulzeit berichten, was ich vielleicht an dieser Stele sogar machen werden. Das Thema hier ist aber ein anderes: Homeschooling.
Dabei geht es um eine ganze andere Haltung zum Leben, zum Menschen und zum Lernen. Dabei geht es nicht darum, wie Dagmar Neubronner sagt, die staatlichen Schulen abzuschaffen, sondern um das Recht, auf sie verzichten zu können. Im Interview sagt die Mutter zweier Kinder und mit Organisatorin der 1. Homeschooling-Konferenz (ausgerechnet in Deutschland) so erschütternde Sätze, die uns immer wieder aufhorchen lassen müssen: „Unser Kind verlor im Grunde die Lebensfreude. Wir haben das beobachtet, was so viele Eltern von Schulkindern beobachten, dass aus unglaublich aktiven, wissbegierigen, fröhlichen, entdeckungshungrigen kleinen Kindern, müde und schlappe und übellaunige, frustrierte Schulkinder werden.“
Die Neubronner hätten alles möglich versucht, ihrem Kind zu helfen und es nicht auf die leichte Schulter genommen. In den Ferien sei der Junge wieder aufgeblüht, wie er vorher einmal war und da die Eltern wussten, dass es in vielen westlichen Industrienationen im Gegensatz zu Deutschland möglich ist, die Kinde zuhause zu unterrichten, haben sie sich eben dazu entschieden. Der Interviewer fragt weiter, ob Eltern in der Regel das überhaupt leisten können, da sie nicht wie Lehrer über den entsprechenden Wissenschatz verfügen. Die Antworten darauf sind schlüssig und sehr interessant.
Gerade heute, wo wieder einmal das unglaublich anmaßende und unvernünftige Betreuungsgeld zur Debatte steht, sollte das Thema Homeschooling auch mal auf die Tagesordnung. Am Ende, so bin ich überzeugt, wird die BRD dieses überhebliche, staatshörige und autoritätsgläubige Gesetz, das aus ganz anderen, unseligen Zeiten herstammt, aufheben. Aber das dauert offenbar noch eine Weile. In der Zwischenzeit können wir uns mit dem Thema intensiv auseinandersetzen.
Deutschlandradio Kultur Interview mit Dagmar Neubronner vom 1. November 2012
Da Deutschland zwar in den berüchtigten PISA-Studien bildungsmäßig schlecht abscheidet, aber wirtschaftlich immer noch und im internationalen Vergleich sehr gut da steht, kann das Schulsystem ja nicht so schlecht sein. Obwohl viele Kinder über die Klinge springen. Am Ende könnte man vielleicht sagen, dass wir mehr Optionen, mehr Vielfalt auch in der Bildung, in der Schule bräuchten. Denn was für die einen Kinder – und Eltern – gut und richtig ist, muss es nicht auch für andere sein. Darauf reagiert der Gesetzgeber in viel zu vielen Gesetzen immer noch nicht: Auf die Individualität. Recht und Gesetz soll offenbar wir Schule und Bildung die Sache glatt bügeln, gleich machen, über einen Kamm scheren immer im Namen der Gleichheit und Gerechtigkeit. Gleichheit aber ist nicht gerecht und kann es nicht sein. Gerade in Sachen Schule und Bildung kann man das sehr gut sehen. Und nicht nur aus diesem Grund hat das Homeschooling meine größten Sympathien. Es hat in jedem Fall gerade in Deutschland mehr Aufmerksamkeit verdient.
- 1. Global Homeschooling Conference, Berlin 2012
- Globale Homeschooling-Konferenz in Berlin
- www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1909760/
- Homeschooling-Bewegung: Blüm geißelt „Schulregiment“
https://de.wikipedia.org/wiki/Hausunterricht
Ein Kommentar
Schöner Beitrag.
Bei Ihren Erfahrungen zum Thema Schule: „Schule war für mich mit tollen Kumpels jeden Tag was zu lachen zu haben, in den Pausen Fußball spielen oder später rauchen.“ plädieren Sie allerdings bestenfalls für die Pausen. Jedenfalls klingt in den Sätzen keine Freude am Unterricht an 😉
Das ist wahrscheinlich das, was Schule bestenfalls ist: eine Kontaktbörse, um unter den vielen Schülern Freunde auswählen zu können.
Die Sachen, die man gelernt hat, hätte man auch ohne Schule gelernt, und das, was einen nicht interessierte, hat man sich auch nicht gemerkt. Unterm Strich also eine gigantische Zeitverschwendung. Aber wenigstens die Pausen waren nett 😉