Nach den Sommerferien ist die 8. Klasse meiner Tochter (13) zwei Wochen auf Abenteuerreise gestartet. Es ist ein Segeltörn auf der Ostsee im Rahmen des sog. „Langzeitprojekts“. Begeistert war sie nicht, in See stechen zu müssen. Aber was hilft es: Das erste Mal im Leben 12 Tage ohne Eltern, ohne wenigstens einen Elternteil. Bei diesem Abendteuer kommt einiges zusammen.
Zunächst die Fakten: Was ist ein Langzeitprojekt und wer macht da mit?
Mein Kind geht auf eine der wenigen staatlichen Reformschulen. Diese nenne ich jetzt nicht, um die Sache nicht allzu öffentlich und erkennbar zu beschreiben. An dieser Schule arbeiten die Schüler ab Klasse 5 an einem „Langzeitprojekt“, das zu Anfang der 8. Klasse mit einer großen Klassenreise seinen Höhepunkt hat.
Der Sinn dieses Projekts ist: „außerhalb der bekannten Gebäudearchitektur und mit dem Ziel, bereits Gelerntes auf seine Tauglichkeit hin zu überprüfen. Denn Lernen ist immer dann besonders sinnstiftend, wenn ein Grund für eine geforderte Anstrengung erkannt werden kann. Beispiele für Langzeitprojekte, die im Jahrgang 8 durchgeführt wurden, sind eine mehrwöchige Segelreise auf den Spuren des Romans „Sansibar oder der letzte Grund“, eine Radtour zur Elbquelle, eine Wanderung in den Alpen von Hütte zu Hütte fernab jeglicher Zivilisation oder ein Filmprojekt in Hamburg. Immer gilt für solche Projekte, dass Lernen als direkte Selbsterprobung stattfindet.“
Jede Schülerin muss sich innerhalb eines Jahres für dieses Projekt 100,- Euro selber „erarbeiten“. Zusätzlich gibt es einen Spendenmarathon und andere Quellen, die große am Beginn der 8. Klasse zu finanzieren. Je nach Reise, die die Klasse demokratisch auswählen und beschließen, gibt es natürlich noch Kosten, die die Eltern aufbringen müssen. Hier waren es noch einmal 320,- Euro pro Schüler. Die Klasse meiner Tochter hat sich für einen Segeltörn entscheiden, der einige wenige, wie meine Tochter, nicht wollten.
Segeltörn auf einem Dreimaster auf der Ostsee
Ja, richtig, sie wollte das nicht. Warum nicht? Weil sie einmal seekrank wurde und wer einmal selber Seekrank war, der weiß, wie mies es einem auf einem solchen Segeltörn gehen … könnte. Ich hatte sie auf den Kanaren mit auf ein Ausflugsboot genommen, auf dem sie seekrank wurde und kotzen musste. Seit dem hat sie keinen Bock mehr auf Boote auf dem Meer. Nun aber half es nichts, sie ist Teil der Klasse, es herrscht Schulpflicht und kneifen gilt nicht – sie musste segeln lernen und mit an Bord des Dreimasters, der auf der Ostsee Richtung Dänemark segelt.
Stand jetzt: Die Klasse ist noch auf See und wir Eltern wissen nicht, wie es unseren Teenies geht. Das gehört mit zum Projekt. Die Kinder mussten ihre Smartphones zuhause lassen, die Klassenlehrerin schickt ab und an ein paar Fotos und einen kleinen Bericht über den Verlauf dieser Reise. Für alle heißt es, für Eltern und ihre Abenteurer heißt es: Geduld beweisen und sich in Zuversicht üben.
Ein Foto aus dem Bauch des Seglers besorgt uns
Ein Foto war in der Mail unserer Lehrerin auf der unsere Tochter ein, sagen wir, eher belastendes Gesicht zeigt. Wir rätseln, was in diesem Moment in ihr vorgegangen sein muss, aus meiner Sicht, zeigt sie, dass sie leidet. Gab es Streit zwischen den Mädchen? Vermisst sie ihre Eltern, hat sie Heimweh? Hat sie keinen Bock in See zu stechen, keinen Bock auf diesen verdammten Segeltörn? Wir wissen es nicht.
Aber ich leide mit ihr und versuche daran zu glauben, dass sie ein starkes Mädchen ist, das wichtige Erfahrungen macht, dass sie stabil und natürlich nicht alleine ist, dass sie die Aufgaben schon bewältigen wird und ganz sicher eine nachhaltige Lebenserinnerung bekommt. Ich kann sie so gut verstehen und wäre wie sie genauso gegen diese Segelreise gewesen. Ich finde es auch nicht gut, Kinder zu zwingen auf einem Boot auf dem Meer sein zu müssen. Ok, es sind nur Tagesreisen, der Segler bleibt nachts in den Häfen und ich denke, die Klasse macht einen Ausflug in dem Hafen in Dänemark. Es wird also auch tolle Highlights geben und nicht nur leiden.
Aber Leiden und Anstrengungen, Herausforderungen und Probleme gehören zum Leben. Auch das Erleben von Hilflosigkeit – die Gruppe entscheidet manchmal GEGEN meine Interessen und Wünsche – und das Aushalten, das Durchkämpfen gehören zum Leben. Vielleicht – hoffentlich – machen die Kids wichtige Erfahrungen, die ihnen später helfen, auch andere, schwierige Situationen im Leben tapfer, aufrecht und hoffnungsfroh zu bewältigen. Wir Eltern hoffen, dass wir unseren Kinder genug Stabilität, Liebe und Kraft mitgegeben haben um dieses Abenteuer, diesen Segeltörn als gut und bereichernd erleben zu können.
Mehr zum Segeltörn für Gruppen- und Klassenreisen: https://www.t-s-c.de/gruppenkunden/klassenreisen/