Während der Muttertag hierzulande ein friedliches Familienfest ist mit Blümchen und Kuchen, ist der Vatertag ein grobschlägig Alkoholiker-Clubausflug mit Schnapsleichen und ekelhaftem Gegröhle. Väter gelten als grobschlächtig und egoistisch, Mütter als selbstlos und … heilig. In Deutschland. Hier scheint die Mutterliebe als besondern rein und schützenswert zu gelten. Es liegt vielleicht auch an dem christlichen Glauben, am Katholizismus mit der Marienverehrung. Wahrscheinlich daher genießt in Italien die Mama eine ebenfalls außergewöhnliche Verehrung. Aber sind Mütter wirklich die besseren Menschen? Die besseren Eltern, weil ihre Liebe vollkommen ist? Sind Mütter nur weil die Mütter sind immer selbstlos in der „Liebe“ zu ihren Kindern? Sind Mütter unfehlbar?
Die Frage, ob Mütter unfehlbar sind, ist eigentlich unzulässig, weil sie die Antwort schon vorgibt. Denn kein Mensch ist unfehlbar, perfekt und vollkommen. Und deshalb kann es auch die Mutterliebe nicht sein. Aber wenn man so wie ich behauptet, die Selbstlosigkeit der Mütter ist eine Mär, löst man eine kleine Lawine der Empörung und der Widerspruchs aus. Schnell wird klar, dass es sich hier um eine Art Tabu handelt. Mütter – und Frauen, die ja alle Töchter sind und eine Mutter haben – fühlen sich aufgerufen, die aufopferungsvolle Rolle in der Kindererziehung als selbstlos zu verteidigen. Das heißt: Die Frage traf den Punkt.
Ich habe schon eine Menge zu den Geschlechterrollen geschrieben und bin ein Mann, der sehr viel unter Müttern gelitten hat in seinen Leben. Ich breite an dieser Stelle nicht alles aus. Noch nicht. Aber für mich liegt es glasklar vor Augen, dass Mütter nicht per se selbstlos sind.
Mütter haben eine besondere Beziehung zum Kind – wie Väter auch – und von der Evolution eine bestimmte Aufgabe zugewiesen bekommen. Das „Konzept“ hat funktioniert, der Mensch ist aktuell die erfolgreichste Spezies der Erde. Wenn man das Konzept der Selbstlosigkeit also in einem relativ begrenzten Rahmen anschaut, dann mag man es so nennen. Wir wissen alle, dass Mütter „alles“ für ihr Kind tun, es versorgen und behüten, ohne zunächst nach den eigenen Interessen zu fragen. So verzichtet die Mutter auf ihren Schlaf und vielleicht auch andere Verhaltensweise, die ihrer Gesundheit dienlich sind, um sich um das schreiende Kind zu kümmern. Ich bezweifle nicht, dass man hier eine gewisse Selbstlosigkeit am Werk sehen kann.
Wenn wir aber den Blick weiten, relativiert sich das langsam. Denn auch Väter verhalten sich so oder können sich so verhalten. Und wenn wir davon ausgehen, dass Mütter wollen, das ihr Kind ein gesunden, glückliches und gutes Leben hat, und sie aus diesem Grund ihre eigenen Interessen hintanstellen, wird das Bild der Selbstlosigkeit etwas schummrig. Denn woher will eine Mutter wissen, welches Leben das Kind später als gut empfindet? Und ist es nicht so, dass die Vorbildfunktion der Mutter eine wichtige Rolle im Leben der Kinder spielt? Kinder lernen durch Imitation und so ist es nicht unerheblich, dass die Kinder auch lernen, dass die Mutter eigene Interessen unabhängig von ihnen selbst hat und verfolgt. Das nenne ich gesund. Aber nicht selbstlos.
Die Mütter der Geschichte
Aus der Zivilisation kennen wir viele Beispiele von selbstloser Mutterliebe, die als solche nicht durchgehen kann. Offenbar haben wir diese Beispiele vergessen. Wir alle haben schon von ehrgeizigen Müttern gehört, die ihre Kinder zu Höchstleistungen antreiben, deren Interesse es ist, ihr Kind in einer bestimmten gesellschaftlichen Stellung zu sehen, die dann auf sie als Mutter zurückstrahlt. Literatur und Geschichte ist voll davon. Wir kennen das Konzept der sogenannten Rabenmütter, die mit dem Bild der jederzeit selbstlosen Mutterliebe nicht übereingeht. Dabei wissen wir, dass Raben sehr fürsorgliche Eltern sind und der Begriff insofern nicht korrekt ist. Nero ließ seine Mutter Agrippina ermorden, weil er vermutlich befrüchtete von ihr getötet zu werden. Diese Morde innerhalb der Familie war bei Römern, aber auch in Kleopatras Ägypten Gang und Gäbe und nicht ungewöhnliches. Das Konzept der natürlichen Selbstlosigkeit einer Mutter gab es damals offenbar noch nicht.
Wir haben Skelette von Babys gefunden, die darauf schließen lassen, dass die Huren im alten Rom ihre Kinder, nach dem sie sie geboren hatten, töteten. Wir wissen das auch von „Naturvölkern“, die in Zeiten der Not, und wenn ein Maul für den Stamm wie für die Mutter eins zu viel war, ihre Neugeborenen ersäuften. Auch das passt alles nicht so ganz zu dem Bild, dass wir uns von der Mutterliebe gemacht haben.
Wir kennen den Begriff des Muttersöhnchens, der nichts Gutes erahnen lässt. Leicht sind wir geneigt, dem Sohne die Verantwortung für seine Fehlentwicklung zuzuschustern, da, wie wir ja hier aufzeigen, die Mutter durch den Schleier ihrer angeblichen Selbstlosigkeit geschützt wird. Aber sie hat die starke Bindung ihres Sohnes an seine Mutter aktiv gestaltet – wenn auch oft unbewusst, der fehlende Vater dabei ist hier nicht unser Thema. Der Muttersohn, der nicht die volle Verantwortung für sich übernimmt, weil er sich für seine Mutter verantwortlich fühlt, ist ein klassisches Bespiel für den brutalen Eogismus von Müttern, die dem Konzept einer nur selbstlosen Mutterliebe dramatisch widerspricht.
Auch Mütter missbrauchen ihre Kinder, verkaufen sie, schlagen sie und töten sie. Das kommt immer wieder ans Tageslicht. Natürlich sind die meisten Gewalttäter Männer. Aber es ist eben nicht so, dass jede Mutter automatisch selbstlos ist, nur weil sie ein Kind gebiert.
Ich könnte noch mehr in diese Richtung anführen, um zu belegen, dass die Selbstlosigkeit der Mutter eine Mär ist. Wir kennen sehr besorgte Mütter, die ihre eigenen neurotischen Ängst auf ihre Kinder projizieren. Das und vieles mehr, ist nicht zu vereinbaren mit der selbstlosen Mutterliebe. Auch die Familienrechtsprechung, wie die Leser dieses Blogs feststellen konnten, belegt, dass die Mütter manchmal mit einer Grausamkeit im Namen ihrer Kinder agieren, die einem den Atem raubt. Wenn sie etwa versuchen mit skrupellosen Rechtsanwältinnen die Vaterbindung ihrer Kinder zu zerstören oder den Vater ihre Kinder in den Ruin oder gar in den Selbstmord treiben. Alles gedeckt von einem Staat – und einer verfluchten reaktionären Psychologie und einer Psychiatrie, die eine Medizin der Macht praktiziert – und ach außen als selbstlose Mutterliebe verbrämt, die angeblich die Kinder vor Schaden bewahren will.
Ich kann gar nicht so viel Kotzen, wie es egomanische „Mutterliebe“ gibt. Wobei wir uns das Wort Liebe noch gar nicht genau angeschaut habe. Ich habe nie verstanden, wie man so etwas wie Liebe auf einen ausgewählten und sehr begrenzen Kreis von Menschen begrenzen kann. Oder wie man lieben kann, wenn man andere Menschen hasst, ausgrenzt und bekämpft.
Ich möchte am Schluss noch einige Linktipps zum Thema geben. Hier finden sich weitere Hinweise darauf, dass das Konzept der selbstlosen Mutterliebe nicht ohne Einschränkungen aufrechterhalten werden kann. Als Mann und Vater, Bürger und Demokrat engagiere ich mich von ein realistischen, humanes Menschenbild von Familie, von Mutter und Vater und vom Menschsein an sich.
Linktipps zu der Mär der selbstlosen Mütter:
- Spiegel Online: Mutterliebe: Das stärkste Gefühl entschlüsselt
- Österreichisches Institut für Familienforschung: Mutterliebe auf dem Prüfstand
- Generationengespräch Serie: Die Erfindung der Mutterliebe
- Papalapapi: Mutter singt, Baby weint. Mama irrt!
- Psychologin Ursula Kodjoe: Checkliste Elterliche Verantwortung
- Papalapapi: Maternal Gatekeeping – Bindungsstörung und subtile Vaterentwertung
- Papalapapi: Mama Mama Mama
- Auch Mütter tun es: Loyalitätskonflikt ist Kindesmisshandlung
Ein Kommentar
Ich bin selbst eine Mutter von 2 Kindern und komme mit dem landläufigen Mutterbild überhaupt nicht zurecht. Dieses selbstlose, sich aufopfernde finde ich zum Kotzen! Ich habe gar keine Lust, so zu sein und auch keine Lust, dass mir so etwas übergestülpt wird. Ich hasse den Muttertag! Von mir aus kann er abgeschafft werden. Das deutsche Mutterbild ist so dermassen furchtbar, ich kann damit nix anfange. Ich habe für mich selbst definiert, wie eine Mutter zu sein hat. Sie hat in allererster Linie, die Aufgabe, sich selbst glücklich zu machen. Erst dann kommen Kinder, Mann, Freunde, Bekannte etc. Indem Mütter sich so dermassen unnötig aufplustern und ihre Bedeutung somit überschätzt wird, stehlen sie den Raum für andere nötige Menschen im Umfeld der Kinder: Väter, Grosseltern, andere Erwachsene etc. Deshalb lehne ich die allgemein geltende Mutterrolle und die Art, wie Mütter anscheinend zu sein haben, ab. Auch wenn der gesellschaftliche Trend jetzt wieder zur „heiligen Familie“ und zur hochheiligen Mutter geht (Kotz!)….mir ist das Kinderbekommen total in dieser Gesellschaft aber sowas von total vergangen. Sollen doch die Männer jetzt mal die Kinder bekommen und als Mutter fungieren. Ich habe darauf keinen Bock mehr.