Ich bin nicht verheiratet und hab deshalb auch nie eine eigene Hochzeit ausgerichtet. Bisher war ich nur auf relativ wenigen Hochzeitsfeiern eingeladen. Kleine Familie in einer Großstadt. Die letzte, bei der es Kindertische gab, ist schon sehr lange her. Vermutlich war ich selber das Kind oder habe es anderswo gesehen. Ehrlich gesagt, verstehe ich diese Einrichtung nicht ganz. Was soll ein Kindertisch?
Ich weiß nicht, wie es in anderen Ländern ist, aber ich halte den Kindertisch für eine typisch deutsche Errungenschaft, kann mir aber vorstellen, dass es das in angelsächischen Gesellschaften gibt. Wie ich bei Anja Happe lese, soll ein solcher Tisch für den Nachwuchs dafür sorgen, dass die Kinder bei den Tischenreden nicht nerven. Also bei diesen tollen Reden der Erwachsenen, die kein Radau erschüttern darf. Ist ja nicht wie im richtigen Leben. Sind wichtig, diese viele gehaltvollen Gespräche, samt dem brutalen Vorgelese und langweiligen Gefasel einer schlecht gereimten Hochzeitszeitung.
Nur stören Kinder nicht. Und schon gar nicht bei einer Hochzeit. Eine Hochzeit ohne Kinder ist wie ein Wald ohne Bäume – es macht keinen Sinn. Nun denkt man eben, wenn sie schon da sind, sollten sie möglichst wenig stören und unter Kontrolle sein. Sie sollen nicht so wild rumlaufen, wenig spielen und schon gar keinen Quatsch machen, sondern sollen sitzen und essen. Zwischen den Gängen dürfen sie in den Nebenraum taumlen. Aber pünktlich zurück sein. Ist alles geregelt Ach, ich verstehe das alles nicht, mir ist das Konzept des Kindertisches vollkommen fremd.
Kindertische in anderen Ländern?
Niemand kann sich eine türkische, italienische, spanische oder griechische Hochzeit ohne Kinder vorstellen. Hat man dort schon Kindertische gesehen?
Wie schon erwähnt, bin ich kein Traditionalist, eher ein Nonfonformist. Ich würde im Traum nicht auf die Idee kommen, eine traditionelle Hochzeit zu feiern. Kinder gehören für mich immer dazu, so viele es geht. Aber einen Kindertisch – niemals! Ich bin nicht sehr romantisch, habe mit der Kirche nichts am Hut, auch nichts gegen Hochzeiten, aber wenn, dann doch bitte witzig, originell und mal was anderes.
Nun feierte mein Freund aber eine solche stark reglementiere Hochzeit. Das Gewäsch in der Kirche mit dem Gedaddel an einer nicht schön klingenden Provinzorgel war an Langweile und Stereotypen nicht zu überbieten. Zur eigentlichen Hochzeitsfeier gab neben einem Dresscode auch eine Tischordnung und eben diesen Kindertisch. Ich habe das nicht kapiert und ziemlich doof aus der Wäsche gekuckt. Aber für meinen Freund haben meine Tochter und ich es selbstverständlich fröhlich mitgemacht. War ja auch nett und wir hatten unseren Spaß. Vielleicht lag die Sache mit der Separation der Kinder ja auch daran, dass die Braut keine Kinder hat und wegen des Alters auch nicht mehr bekommen kann. Der Bräutigam hat ja schon zwei schulpflichtige Jungs, die aber nicht dabei waren.
Meiner Tochter (9) hat es aber nichts ausgemacht an diesem Kindertisch zu sitzen. Sie durften ja auch aufstehen. Nur die zwei Jungs (11/12 Jahre) waren genervt. Die Kinder hatten sich zwar nichts zu erzählen, ertrugen den scharfen Meerrettich, mochten den Rotkohl nicht und das Fleisch war zu früh alle. Sie hatten aber absolut nichts auszustehen und haben sich bei jeder Gelegenheit davongemacht. Aber ich hatte ein Problem damit. Ein kleines, ein Verständnisproblem. Da es meiner Tochter gut ging, war es während dessen kein Thema.
Kinder gehören für mich überall dazu. Da halte ich es wie die Spanier und Italiener und viele anderen Kulturen. Es gibt nichts Selbstverständlicheres als Kinder, nur die Erwachsenen haben manchmal ganz, ganz komische Ideen.
Wie seht ihr das?
4 Kommentare
„Katzentisch“ – daran denke ich sofort bei „Kindertisch“ –, womit auch klar sein sollte, „wie ich das sehe“:
https://de.wikipedia.org/wiki/Katzentisch
Ah, Katzentisch! Davon hatte ich noch nicht gehört. Passt aber wie Faust aufs Auge!
Ich sehe das wie du und erinnere mich mit Schrecken an die ganzen Feiern, bei denen ich als Kind nicht bei „den Großen“ mit am Tisch sitzen durfte. Habe ich immer als Enttäuschung erfunden.
Bei unserer Großen (3 Jahre) ist das auch jetzt schon so. Zwar will sie häufig noch in einem Hochstuhl sitzen, aber immer mit bei uns am Tisch. Mit den gleichaltrigen Zwillings-Cousins an einen eigenen Tisch abgeschoben zu werden, kommt nicht infrage.
Für uns haben wir entschieden, dann aber auch bewusst zu trennen:
Wer bei uns sitzen will, kann essen und trinken und sich unterhalten. Wer lieber spielen möchte, muss das dann an dem dafür erkorenen Platz tun. – Das kann auch ein eigener Tisch sein. An diesem Tisch wird dann aber wiederum nicht gegessen, er ist nur für das Spielen.
Selbst das kann einem schon zu viel Regel sein. Wir haben für uns aber entschieden, dass wir uns diesen Teil von „Tischmanieren“ wünschen. Und die Umsetzung wird – zumindest bislang – auch nicht infrage gestellt.
Jetzt fällt mir ein, dass ich ganz vergessen zu erzählen hatte, dass es für die Kinder am Kindertisch nicht mal Kinderessen gab. Denn das Erwachsenenessen gab bei ihnen nicht gut an.