Es sind Männer, die das den Menschen antun. Die meisten dieser Männer haben Kinder, sind Familienväter und ermorden andere Familienväter, Familien, Frauen, Kinder und Alte. Wie erklärt man das unseren Kindern?
Es gibt natürlich verschiedene Ebenen. Der Absatz eben dreht sich um Krieg an sich. Aber so einfach ist es dann auch nicht, weil manchmal muss man Krieg führen, um eben Familienväter, Familien, Frauen, Kinder und Alte zu beschützen. Das tun gerade die Soldaten der Ukraine.
Und dann gibt es den aktuellen, fruchtbaren Krieg in der Ukraine, der gar nicht so weit von uns weg tobt und tötet. Die russischen Kriegsverbrecher bedrohen sogar die ganze Welt mit ihrer Bösartigkeit. Wie erkläre ich meinem Kind?
„Meine Tochter erlebt einen Vater, der sich intensiv mit dem Ukrainekrieg beschäftigt. Ich rede mit ihr auch darüber“
Meine Tochter ist 12. Gestern standen wir vor meinem Bildschirm und ich erklärte ihr anhand einen farbig markierten Länderbildes das Abstimmungsergebnis der Sondersitzung der UN-Vollversammlung, das zu einer eindeutigen Verurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine führte. Russland und alle Länder, die gegen die Resolution gestimmt hatten waren Rot. Ich erklärte ihr, wer die anderen Länder sind und dass beispielsweise Apple – sie hat sich gerade ein neues iPhone gekauft – in Russland nichts mehr verkauft, weil Russland die Ukraine überfallen hat.
Ich erkläre ihr, dass die Kinder in der Ukraine nicht mehr zur Schule können, dass sie mit ihren Müttern fliehen und die Männer ihr Land, ihre Freiheit, ihr Recht und ihr Leben verteidigen müssen. Sie wisse das, empörte sie sich, ich solle sie nicht für dumm halten. Ok. Sie sieht, wie engagiert ich bin, wie ich mich aufrege über die Lügen der Russen und über die Ungerechtigkeit dieses Krieges.
Ich versuche es tatsächlich ihrem Alter entsprechend zu erklären. Aber ich achte darauf, sie nicht zu überlassen, ihr Freiraum zu lassen. Sie muss nur wissen, warum ihr Vater so aufgebracht, so emotional, so traurig und so beschäftigt ist.
Heute gab es bei uns in Hamburg eine große Schülerdemo auf St. Pauli. Es wurde den Schülern erlaubt und freigestellt, daran teilzunehmen. Meine Tochter war nicht dafür zu begeistern und ich unterstützte sie daran, erklärte, dass sie nicht hingehen müsse, wenn sie nicht mag und es völlig Ok ist. Sie ist Jugendliche und hat ganz andere Sorgen. Das ist mir sehr wichtig. Sie wollte auch nicht, erzählte sie mir hinterher, weil sie nicht wollte, damit ihre beste Freundin dann nicht ohne sie in der Klasse zurückblieben müsse. Na ja. Alles gut.
Im wunderbaren Interview mit dem Familienberater Torsten Andersohn unter dem Titel Wir können Kinder nicht von der Realität abschirmen heißt es:
„Zur Offenheit gehört auch Authentizität. Wenn ich als Erwachsener selbst ziemliche Angst habe, sollte ich darüber sprechen. Wie gesagt: Kinder bekommen unsere Gefühle mit. Wichtig ist allerdings, dass ich meine Angst nicht auf das Kind übertrage, sondern klarstelle: »Mir macht das Angst, du musst dir deshalb aber keine Sorgen machen. Du bist bei mir sicher.« Damit mache ich meinem Kind deutlich, dass es nicht dafür zuständig ist, sich um mich zu kümmern. Gleichzeitig zeige ich ihm, dass Gefühle mit dazugehören.“
Meine Tochter lernt bei mir, dass uns Gefühle nicht bedrohen, dass sie manchmal widersprüchlich sind, und dass es allein wichtig ist, dass wir uns haben und sie absolut sicher sein kann. Das ist die Basis.
Und von der Bundesregierung: Interview mit Diplom-Psychologin – Wie man mit Kindern über den Krieg in der Ukraine spricht.
„Es ist wichtig, dass Eltern auf die Fragen der Kinder ehrlich antworten und dass sie darauf achten, ob sie mehr wissen wollen. Zugleich sollten Eltern ihnen aber auf keinen Fall ungefragt sämtliche Detail-Informationen über Kriegsgeschehnisse aufdrücken! Das würde das Ohnmachtsgefühl und die Angst nur weiter verstärken. Kinder haben dieses Ohnmachtsgefühl auch, genauso wie Erwachsene. Wir können einfach in dieser aktuellen Situation nicht viel tun.“
Und ein kostenpflichtiger Beitrag auf SPIEGEL ONLINE: Keine 40 Kilometer trennen das russische Belgorod von der ukrainischen Grenze. Das Militär feuert von hier aus Raketen ab. Viele Bewohner unterstützen den Krieg gegen die Nachbarn – die 16-jährige Wiktoria Litwin nicht!
Meine eigene Geschichte mit Krieg
Meine Tochter ist Enkelin einer durch Gewaltherrschaft und Krieg vertriebenen Ostpreußen. Mein Opa ist im Januar 1945 im von der Roten Armee eingekreisten, bitterkalten nördlichen Ostpreußen vermisst. Niemand weiß, was mit dem Vater meiner Mutter geschehen ist. Furchtbar.
Es darf nie wieder geschehen, dass eine Gewaltherrschaft unschuldige Menschen ins Unglück stürzt. Nach dem 2. Weltkrieg haben unzählige Menschen in Europa dazu beigetragen, dass wir friedlich und wohlhabend miteinander leben dürfen. Bis das Großserbische Reich auf Kosten anderer Völker errichtet werden sollte, was die NATO und die USA zu verhindern wusste; und bis Putin sein Großrussisches Reich wiedererstehen lassen will in dem er die unschuldige Ukraine mit einer unfassbaren Bösartigkeit überfiel.
Das imperiale Denken, die Menschenverachtung und rücksichtslose Machtpolitik passen nicht mehr in unsere Welt. Und dennoch muss sich die Menschheit immer noch damit herumschlagen. Hoffen wir, dass die Geißel der sinnlosen kriegerischen Gewalt verschwunden ist, wenn unsere Kinder erwachsen sind.