Buchtipp: Katharina Saalfrank – Kindheit ohne Strafen

Kindheit ohne Strafe

Kindheit ohne Strafen – geht das überhaupt? Wie? Kennt jemand Eltern, die das machen, können, durchziehen? Sind diese Eltern Nachzügler der „68er“ mit ihrer antiautoritären Erziehung? Wie stellen wir uns das genau vor?

Ich höre an dieser Stelle, wenn ich den Begriff oder von der Möglichkeit einer Kindheit ohne Strafe höre, an den wunderbaren Jesper Juul. Der Familientherapeut hat ja mit sehr viel Empathie gearbeitet und vor allem auf Verantwortung, auf Eigenverantwortlichkeit und Gleichwürdigkeit gesetzt. Ich glaube, dies ist die Tür, durch die Katharina Saalfrank mit ihrem Buch und vielen konkreten Alltagsbeispielen geht. Schauen wir uns die Sache mal genauer an.

Der Verlagstext zum Buch:

„Time-out, Handy- und Computerverbote, wenn-dann-Sätze: Strafen und Konsequenzen als Konfliktlösestrategie halten sich hartnäckig im Erziehungsrepertoire von Eltern und in den Ratgebern von Experten. Ob es um Zimmer aufräumen oder Hausaufgaben machen geht – was kurzfristig funktioniert, zeigt langfristig Schaden, denn Kinder erleben durch Strafen Demütigung, Ablehnung, Vertrauensverlust, und das Familienklima wird durch Machtkämpfe vergiftet. Dabei kann ein auf Bindung und Wertschätzung basierender Umgang mit Kindern Strafen überflüssig machen. Anhand zahlreicher Erfahrungen mit Kindern zwischen Autonomiephase und Pubertät zeigt Katia Saalfrank neue Handlungsalternativen auf. Im moderierten Gespräch sowie in der Diskussion mit den Zuschauern soll die Gefühlswelt der Kinder und Eltern im Zentrum stehen und erörtert werden, wie wertschätzende Beziehung und Kommunikation einen anderen Umgang mit Stresssituationen ermöglicht.“

Kindheit ohne Strafen: Neue wertschätzende Wege für Eltern, die es anders machen wollen
Katharina Saalfrank: Kindheit ohne Strafen: Neue wertschätzende Wege für Eltern, die es anders machen wollen

Macht soll Ohnmacht kompensieren – Kinder zu bestrafen sind Mittel der Macht und nicht der Gleichwertigkeit

Da ich schon auf Jesper Juul zu sprechen kam: Er hat die Machtmechanismen, die Machtspiele innerhalb einer Familie und zwischen Eltern und Kindern sehr deutlich herausgearbeitet. Und genau das zeichnet Katharina Saalfrank auch aus: Sie macht in ihrem Buch sehr deutlich, was Strafen für Kinder bedeuten. Dazu bringt sie Beispiele aus dem Schulalltag und zeigt die Not von Lehrer*innen, stellt Ihre Fragen und zeigt sehr deutlich auf, was geschieht. Die alten Spuren der schwarzen Pädagogik, die Hilflosigkeit der Autorität und der Automatismus mit Macht und auch mit ihrem Missbrauch zu reagieren. Das Erschütternden dabei ist die Selbstverständlichkeit, mit der wir Strafen gegenüber Kindern, also den Schwächeren, die sich nicht so verhalten, wie wir uns das vorstellen, unterdrücken, bestrafen und demütigen. Uns fällt es ja schon gar nicht mehr auf, was wir da tun.

Saalfrank schreibt über „eine Art Bußgeldkatalog“, der in der Schule helfen soll, die Kinder zu disziplinieren und setzt sich mit den Sanktionen des Schulsystems, die sehr alt sind und die wir alle kennen, auseinander. „Eltern sollten sich trauen, die Mechanismen anzusprechen,“ schreibt Saalfrank, „die empfundene Grenzüberschreitung, die Demütigung, die Abwertung und den Machtmissbrauch. Diese Mechanismen lösen bei uns allen Gefühle aus, sie machen Kinder wütend, traurig und stellen sie als Person grundsätzlich infrage.“

Erschütternd aber auch erhellend das Monopoly-Beispiel, bei dem es darum geht, wie eine Familie mit einem ungehaltenen 5-Jährigen umgeht, der altersentsprechend nicht gut verlieren kann. Sie beschäftigt sich aber auch mit Lob und nicht nur mit Tadel. Sie zeigt aus, „was Belohungssysteme im Gehirn bewirken“ und fordert auch an dieser Stelle von uns, die Sache zu reflektieren. Denn Lob und Belohnungen können zu fatalen Effekten führen. Entweder man handelt nicht mehr, wenn es keine Belohnungen gibt oder man geht nur noch berechnend oder strategisch an die Dinge heran, „statt hilfsbereit und empathisch.

Kindheit ohne Strafen biete also eine Fülle an Beispielen aus allen möglichen Alltagssituationen, um die dahinterstehenden Mechanismen klar erkennen zu können. Die Autorin erklärt uns, weshalb und Empathie manchmal schwerfällt und die Selbsterkenntnis wird auf eine harte Probe gestellt. Ja, ich meine es schmerzt dieses Buch zu lesen. Uns wird klar, wie ungerecht wir behandelt wurden und wie tief diese Mechanismen der „schwarzen Pädagogik“ mit dem Strafen und Belohnen in unsere Seelen gebrannt wurde. Und es tut besonders weh erkennen zu müssen, dass wir unsere Kinder genauso ungerecht und hart „bestrafen“.

Wie können wir das anders machen? Was können wir besser machen. Wie funktioniert eine Kindheit ohne Strafen? Ich bin nicht so vermessen, hier eine einfache Lösung, die Quintessenz des Buches hier zu präsentieren. Ich glaube, es ist ein Prozess, eine Entwicklung, die durch das wunderbare Buch von Katharina Saalfrank einen ernsthaften Anfang nehmen kann.

Fazit: Unbedingt empfehlenswert!

Eine andere Buchbesprechung von Kindheit ohne Strafen von Samar Mumyfit:

Außerdem: MDR Kulturtipp: Katharina Saalfrank – Kinder brauchen keine Machtkämpfe mit den Eltern

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von Katharina Saalfrank, Dipl. Päd., Musiktherapeutin, Familiencoach, Autorin
264 Seiten, Beltz-Verlag vom 26. Januar 2018
Gebundene Ausgabe 17,95 EUR
 
Leseprobe-Kindheit-ohne-Strafen

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