Buchbesprechung: „Ungebremst leben“ von Heidi Hetzer

Ausschnitt Buchcover von Heidi Hetzer - Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr

Ungebremst leben. Ich hatte einen Onkel, Dieter Zimmerling, ein Schriftsteller und Fotograf, mit dem ich mein Leben lang viele kontroverse und spannende Gespräche und Diskussionen führt. Leider hatte er ein schweres Schicksal, da seine Frau relativ früh und plötzlich an einem bösartigen Krebs gestorben ist. Als er 60 Jahre alt war, bekam er seine Lebensversicherung ausgezahlt und erfüllte sich einen Lebenstraum: Mit dem Motorrad nach Sizilien. Kurz vor seinem 61. starb er den plötzlichen Herztod.

Heidi Hetzer gehört zur selben Generation wie mein Onkel und hat 2018 mit Ungebremst leben ihre Biographie veröffentlicht. Leider ist Heidi Hetzer Ostern 2019 im Alter von 81 Jahren in Berlin verstorben. Über die Todesursache wurde nichts bekannt. Als letzter Eintrag ist auf ihrer Instagram-Seite und Ihrer Homepage www.heidi-um-die-welt.com ein Goethe-Zitat zu lesen: „Ich lebe nicht mehr, aber ich habe gelebt“. Ein Nachruf auf faz.net

Das wundervolle Buch dreht sich nicht nur um ihre Weltreise, die sie mit 77 Jahren in einem Oldtimer angetrat. Sie beschreibt hier ihre Kindheit, ihren Werdegang, ihre Lebensgeschichte. Sie stand ihre Frau in einem klassischen Männerberuf: Die Führung eines Autohauses und später die Karriere im Ralleysport. „Frau und Technik“ – das passt nicht zusammen, denken auch heute noch nicht weniger Männer. Heidi bewies mit ihrem Leben, das diese Haltung Käse ist. Untauglich und dumm. Obwohl es schon besser geworden ist, insbesondere bei den jungen Menschen, aber auch schon in meiner Generation in den Metropolen des Landes.

Heidi Hetzer beschreibt die Zeiten vor der Emanzipation. Das will man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Beispielsweise hatte eine Mutter nach einer Trennung was die Kinder anging, nichts zu melden, es geschah im Streitfall das, was der Herr Vater bestimmte. Heute ist es leider umgekehrt, da glaubt man, Kinder gehören automatisch zur Mutter, was sich in den fruchtbaren Kriegen in unsere Familiengerichten widerspiegelt. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

In Ungebremst leben beschreibt Heidi, wie es damals aussah in diesem Land. In jenen Zeiten wurde ich als Kind einer sehr jungen, unverheirateten Alleinerziehenden geboren, das war zwar ein Jahrzehnt später, dennoch galt: „Ein uneheliches Kind zu bekommen bedeutete für die Frau eine gesellschaftliche Katastrophe, die Mutter erhielt nicht einmal das Sorgerecht. Das Ehe- und Familienrecht bestimmt den Mann zum Alleinherrscher über Frau und Kinder.“

Es werden die 50-Jahre beschrieben mit ihrer Spießigkeit, dem damaligen Rollenverständnis, das Frauen absolut nicht die selben Rechte wie den Männer zusprach, obwohl es im Grundgesetz schon immer heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Schämen sollten wir Männer uns, dass so etwas möglich war. Heidi hat sich aus diesen Bedingungen herausgekämpft und beschreibt sie in den Kapiteln dieses wundervollen Lebensreise-Buchs, dass ich Männern und Frauen, alten und jungen herzlichst empfehlen kann. Denn Hey – eine alte Frau von fast 80 Jahren, die im Oldtimer um die Welt tuckelt, das ist etwas Besonderes. Und ganz sicher etwas, von dem sich viele Kerle noch eine Scheibe abschneiden können. Tolle Frau, tolles Buch, tolle Geschichte.

Heidi Hetzers Weltreise: Mit Ende 70 einmal um die Welt

Einfach in Rente gehen und Füße hochlegen war keine Option für Heidi Hetzer. Zum Entsetzen aller, die sie für verrückt erklären, startet sie kurz nach ihrem 77. Geburtstag, im Sommer 2014, in ihr größtes Abenteuer:
Mit ihrem Oldtimer, einem Hudson Baujahr 1930, will sie einmal um die Welt fahren. Zweieinhalb Jahre sollte sie auf Achse sein, 84.500 Kilometer zurücklegen und 40 Länder sehen – ein wagemutiges Unterfangen.

Schon als Jugendliche schwimmt Hetzer gegen den Strom, als sie in den Fünfzigerjahren im väterlichen Betrieb eine Kfz-Lehre absolviert. Mit Anfang Dreißig übernimmt sie das Familienunternehmen und macht es zum größten Autohaus Berlins, gründet eine Familie – und fährt regelmäßig Rallyes.

In ihrer Autobiografie erzählt sie nun nicht nur von ihrer verrückten Reise allein mit einem Oldtimer um die Welt durch fünf Kontinente und 40 Länder, sondern erinnert sich auch an die vielen Stationen ihres Lebens und ihrer „automobilen“ Karriere zurück
Heidi Hetzer, geboren 1937 in Berlin, machte eine Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin und stieg als 16-Jährige in den Motorsport ein. Mit 31 Jahren übernahm sie das Unternehmen ihres Vaters und baute es zu einem der größten Autohäuser in Berlin auf.

„Wenn Sie mich nach den tollsten Momenten meines Leben fragen, sind drei Dinge garantiert mit im Spiel. Ein Gaspedal, ein Lenkrad und eine ordentliche Kühlerhaube vor der Nase. Und dazu: Frau am Steuer – nämlich ich!“
Heidi Hetzer

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Ungebremst leben – Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr

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von Heidi Hetzer und Marc Bielefeld
368 Seiten, Ludwig Buchverlag (10. September 2018)
ISBN 9783453281134
Gebundenes Buch 20,00 Euro

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