Dieses wundervolle Titelbild aus dem Kinder-Ballett-Unterricht heißt: „Be the girl on the right“. Gemeint ist das kleine Mädchen, das, anstatt brav zu warten, an der Ballettstange turn und kopfüber hinunterbaumelt. Ein tolles Foto, dass ich aus bestimmten Gründen hier spiegelverkehrt zeige. Aus der Reihe tanzen.
Es ist aber auch zu süß mit der kleinen Ballerina, die Vorbild ist für all die Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt. Sie sollen nicht so angepasst sein, nicht so brav, nicht immer auf andere hören, nicht warten, bis jemand sagt, dass sich jetzt dürfen. Sie sollen einfachen machen, was ihnen Spaß macht, was Freude bringt, was ihnen in den Sinn kommt, etwas Lustiges, egal, was sie eigentlich … soll(t)en. Das versteht jeder, das versteht sich durch das Bild eigentlich von selbst.
Die Frage aber ist: Was ist mit den Jungs?
Gibt es so etwas nur bei Mädchen, weil sie braver sind, als andere. Brav sein, lieb sein, nicht auffallen, nicht eigenwillig sein, nicht aus der Reihe tanzen, angepasst sein. Das ist das, was viele wollen – die Lehrer, die Schule, die Arbeitgeber, „die Gesellschaft“, die Eltern. Oder?
Gibt es so ein Bild auch von Jungs, von kleinen Jungs? Nicht`, dass ich wüsste. Wenn ein Bild oder ein GIF Jungs zeigt, dann eher wie süß sie sein können oder wie klug. Jungs wird offenbar ganz natürlich zugeschrieben, dass sie nicht so angepasst sind und daher wird das auch nicht hervorgehoben, wenn sie mal nicht brav sind. Gute Jungs sind nicht wirklich immer brav. Das sind nur Mädchen. Zeigt das das Bild? Oder sind Jungs durch Fußball und Ballerspiel nur ausgepowerter als die Mädchen. Solche Bilder werfen viele Fragen auf. Vor allem, wenn sie auf Facebook von erwachsenen Menschen mit der entsprechenden Botschaft geteilt werden. Erwachsene, die vermutlich ein eher angepasstest Leben führen und gern so sein möchten, wie dieses baumelnde Mädchen. Sie würden so gern aus der Reihe tanzen. Aber wie? Und wo? Und wann?
Aus der Reihe tanzen – ich nenne es: Resilientes Swingtanzen!
Zwei Kinder in dem GIF sind super und resilient. Was sehen wir in diesem Bild? Ein etwas älterer Jung tanzt mit einem jüngeren Mädchen. Sie sind offenbar auf einem Fest, da sie festlich gekleidet und fangen an zu tanzen. Auf einmal kommt eine „Göre“ angesaust, reißt das kleine Mädchen von dem älteren jungen weg, schnappt sich seine Hände und will mit ihm tanzen. Der reagiert aber völlig überraschend und verhält sich dem kleinen Biest so, als würde er sagen: „Sag mal, was fällt dir denn ein? Ich will nicht mit dir tanzen, ich wollte mit der anderen tanzen, das ist nicht gut, was du machst.“ Daraufhin fängt dieses Mädchen an zu heulen und geht völlig fertig aus dem Bild. War aber eigentlich schon fertig, als sie rein kam, vermutlich übermüdet, hungrig, eigentlich schon sauer und schlecht gelaunt, als ihr ihre vermeintliche Konkurrentin von ihrem Lieblingstänzer wegriss. Der Junge aber lässt sich davon gar nicht beeindrucken, sondern hat Bock auf die Musik und zu tanzen und tanzt einfach weiter aus dem Bild heraus. Eine Super-Szene. Eine der besten Szenen, die es überhaupt gibt, denn da ist alles drin. Ich jedenfalls sehe mehr, als andere vielleicht.
Die kleine Zicke hätte warten können und fragen nach dem Lied, ob der Junge auch mal mit ihr tanzen mag. So hätte sie viel eher Erfolg gehabt als auf die Zickentour. Sie hätte so lange auf der Tanzfläche selber ein paar Kreise drehen können – wenn sie cool und resilient wäre. Stattdessen wählt sie den Weg der Gewalt, den Weg der Zicke. Sie reißt das andere Mädchen, ihre Konkurrentin von dem Tänzer weg und will selber tanzen. Sie ist gewalttätig, extrem egoistisch, mitleidlos, hart und brutal. Im Sinne natürlich, wie ein Mädchen ihres Alters, höchstens 6, überhaupt sein kann. Aber ich will es deutlich machen. Ist ist sicher schon vorher Scheiße drauf, den Grund dafür kennen wir nicht.
Der Junge aber ist ein suuuper Typ. Er lässt sich das nicht gefallen. Er macht nicht mit aus Mitgefühl und tanz mit der Zicke nur damit sie sich beruhigt. Nö, er findet das Verhalten der Kleinen absolut nicht in Ordnung, er will damit nichts zu tun haben, lässt sich die Party nicht kaputtmachen. Das aber kränkt nun die kleine Zicke. Das Mädchen, mit der der Junge zuerst getanzt hat, hat sich ebenfalls auf den Stress oder auf den Streit nicht eingelassen, ist weggegangen mit der Haltung „Yo, lasst die doch“ und hatte damit gar nichts mehr zu tun. Sie war total klug und vielleicht war sie genau sehr empathisch.
Resilienz – das Geheimnis innerer Stärke ist einerseits beinahe schon ein Modewort, andererseits noch immer unterschätzt. Kümmert euch drum!