Warum bewerten wir Menschen, Situationen oder Sachen als normal oder unnormal? Ist normal sein gut oder schlecht? Wer bestimmt überhaupt, was normal ist und was nicht? Sehr gute Fragen und man kann gar nicht früh genug damit anfangen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Das Buch Ich so du so, das ich heute vorstelle, ist denn auch für Menschen ab 9 Jahren geeignet, aber auch ihren Eltern anempfohlen.
Es ist ein so witziges, unterhaltsames, gut gemachtes Buch, in dem selbst Erwachsene gerne lesen, dass ich davon total begeistert bin. Ich mag diese Art jedenfalls und freue mich sehr, dass meine Kleine genauso gerne in dem Buch blättert. Ob sie schon die Seite „Der heisse Scheiß-Kreis“ gesehen hat?
Es ist so viel zu sehen und zu lesen, das Buch ist so abwechslungsreich gestaltet, dass man schon mal auf einer Seite länger hängenbleiben kann. Denn es gibt auch Kapitel zum Mitmachen. Die „Anzieh-Kim“ kann man in Wunsch-Hautfarbe ausmalen und ihr verschiedene Klamotten anziehen, die man aus den Folgeseiten ausschneiden kann. Es gibt so viele witzige Seiten, das ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich bin bei einem solchen Buch natürlich dann wirklich begeistert, wenn man Kind ebenfalls Spaß hat an „Sommer, Schwimmband & Komplexe“, an den gezeichneten Witzen, Comics und den vielen anderen nie zu langen Geschichten. Und das ist sie ja. Ein Träumchen.
Der Verlag sagt zu Ich so du so:
„Wahnsinn, wie verschieden wir sind! Einer ist verträumt, die andere groß. Manche haben eine andere Hautfarbe als die meisten um sie herum, und manche finden Dinge schwer, die anderen leichtfallen. Alles ganz normal. Aber was ist schon normal?
In diesem Bilder-Lesebuch geht es genau darum: Bilder, Comics, Fotos, lustige und nachdenkliche Texte und Geschichten, die anregen, Menschen neu und anders zu betrachten. Sie alle zeigen, dass wir viel mehr gemeinsam haben als uns unterscheidet. Und sie machen Mut, so zu sein, wie man ist, und andere sein zu lassen, wie sie sind – normal eben und ganz besonders.
Ich so, du so – gut so!“
Ganz genau.
Toleranz, Vielfalt und Humor
Darum dreht es sich eben, dass jeder Mensch, jedes Kind anderes ist. Das ist heutzutage besonders wichtig. Denn bei uns leben nicht nur viele Leute, die hier nicht geboren sind und aus anderen Kulturen stammen, es gab auch niemals zuvor so viel Vielfalt in einer Gesellschaft. Jeder kann im Grunde werden und sein, was immer er … oder sie will. Es gibt zwar immer noch einen hohen Anpassungsdruck, aber die Einsicht, dass jeder anders ist, andere Stärken und Schwächen hat, mildert ihn merklich. Toleranz ist in unsere Gesellschaft also unglaublich wichtig und deshalb sollten auch schon Kinder lernen, dass sie nicht nur so sein dürfen, wie sie nun mal sind, sondern dass alle anderen das ebenfalls dürfen. Dazu wurde diese Buch gemacht und ich meine, genau das ist hier gelungen.
Denn was ist denn schon normal? Ich habe vor vielen Jahren mal in der Psychiatrie gearbeitet und fand, dass die Kranken dort zu den normalsten Menschen der Welt gehörten. Aber das sah nur ich so. Im Zuge unseres Umgangsstreits vorm Familiengericht, musste ich ein psychiatrischen Gutachten über mich ergehen lassen und konnte am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn andere, wenn Autoritäte dich abstempeln, nicht „normal“ zu sein, wenn sie dich „krank“ schreiben und Menschen trennen in „normal“ und „behandlungsbedürftig“. Wer bestimmt das überhaupt? Die Ärzte? Die WHO? Die Pharmahersteller? Auf welcher Grundlage? Und wie war es früher, was ist mit anderen Kulturen? Waren Menschen, die wir heute als Patientien sehen, nicht seinerzeit Medizinmänner, Heilige, Glücksboten?
Das Bedürfnis in normal und unnormal einzuordnen und zu denken ist tief in uns drin und wir müssen sehr wachsam sein, sehr darauf acht geben, sich davon nicht beeindrucken, nicht leiten zu lassen. Weil wir uns sonst selber beschneiden und beschädigen. Denn das sind alles Hilfskonzepte etwa für die Wissenschaft, die Krankenkasse oder das Geschäftsleben. Aber das richtige Leben, wir Menschen, sind so nicht, wir sind viel bunter, viefältig, manchmal „normal“ und dann wieder ganz anders. Je nach Zusammenhang, Lebensphase oder Gesellschaft.
Nur wenn man das Anderssein jedes einzelnen Menschen – ob Mann oder Frau, ob Junge oder Mädchen – wenn man die Einzigartigkeit jedes Kindes anerkennt und wertschätzt, nur dann wird man ihnen und dem Leben gerecht.
Und dieses Buch bestärkt mich nun in meinem Ansatz zu akzeptieren, dass mein Kind keinen wirklichen Spaß am Rechnen hat und nicht so gut in Mathe ist; vielleicht nicht so gut zeichnet, wie andere Kinder, zurückhaltender als viele ihrer Schulfreundinnen ist, aber andere Dinge ganz toll kann und macht: Sie ist sehr sensibel, kriegt sehr viel mit, hat eine hohe soziale und auch emotionale Kompetenz, kann sich sehr gut ausdrücken, hat Humor und mag Knoblauchbrötchen. Aber das passt vielleicht nicht gerade ins Schulkonzept, in den Lehrplan oder zu den gesellschaftlichen Anforderungen an mein Kind. Aber das macht nichts. Denn was ist schon „normal“? Ich so, du so – gut so!
Ich kann mir jedenfalls kein besseres Buch für ein Schulunterricht zu den Themen Toleranz, Humor und Menschlichkeit vorstellen. Es ist einfach wundervoll!
Buch kaufen bei AMAZON: Ich so du so: Alles super normal
Taschenbuch ab 9 Jahren
von dem Labor Ateliergemeinschaft
176 Seiten, Beltz & Gelberg Verlag, August 2017
Preis 16,95 EUR