Mit Kindern trauern

Trauer

Als vor einem halben Jahr mein Vater unerwartet verstarb brach für mich eine Welt zusammen. Ich wurde von einem Gefühlsmoment in das komplette gegensätzliche Gefühlsspektrum geschleudert. Unsere Tochter erblickt eine Woche zuvor die Welt. Auf so etwas bereitet dich niemand vor. Nach einem kurzen Schockzustand kam in mir die Frage auf wie soll ich das nur unserem vierjährigen Sohn erklären? Die Info vom Tod ereilte mich auf dem Parkplatz unseres Kindergartens. Ich hatte ihn gerade morgens dort abgegeben und wollte meine Elternzeit beginnen bzw. schnell nach Hause meine Frau in ihrem Wochenbett unterstützen. Und so kam alles anders.

Jeder Mensch trauert anders, Trauer ist immer eine individuelle, persönliche Sache. Erwachsende trauern dabei anders als Kinder. Dabei gilt es besonders bei Kindern auf andere Trauersignale zu achten. Neben dem direkten Zeigen von Trauer kann aber auch Wut, ein Zurückziehen, das Verweigern von Mahlzeiten, ein ungewohnter Bewegungsdrang oder ein Durchspielen der Trauer ein Zeichen des Schmerzes sein. Nicht immer ist es Kindern möglich über das was gerade passiert zu sprechen. Dann kann es helfen Bilder zu malen, Musik zu hören oder einfach nur mit einer geliebten Person zu kuscheln. Weitere Ideen wie Abschiedsrituale oder wenn das Kind schon schreiben kann einen Abschiedsbrief zu schreiben finden sich im Netz. Denkbar wären beispielsweise das Entzünden einer Kerze für die verstorbene Person und Erinnern an besonders schöne Momente mit genau dieser.

Wenn ein Familienmitglied verstirbt erleben die Kinder der Familie oft nicht nur den Verlust des Verstorbenen sondern durch die Trauer seiner Bezugspersonen zusätzlich, den Verlust eines wichtigen Ankerpunkts im kindlichen Leben. Ben Furman, ein finnischer Psychiater und Psychotherapeut, beschreibt in seinem Klassiker „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben“ als einen Faktor der Menschen der davor schützt unter widrigen Lebenssituationen nicht zu zerbrechen, ein funktionierendes soziales Netzwerk. Dieses Netzwerk benötigen trauernde Kinder natürlich auch. Dieses Netzwerk stammt üblicherweise aus der direkten Familie. Ich weiß, noch genau wie sehr meine Frau mir und unserem Sohn in dieser Zeit zur Seite stand, obwohl sie mit dem Wochenbett eigentlich ganz andere „Aufgaben“ hatte.

Wir sind mit dem Thema Tod als es uns eingeholt hatte gegenüber unserem Sohn sehr offen und ehrlich umgegangen. Unserem Sohn haben wir direkt am Nachmittag über das Versterben seines Großvaters aufgeklärt. Er sollte schließlich unsere Trauer nicht fehlinterpretieren bzw. schlimmstenfalls denken dass er unsere Gefühle ausgelöst hat. Schuldgefühle im kindlichen Kopf wollten wir auf keinen Fall. Unser kleiner Adler stand kurz vor seinem vierten Geburtstag. Die Umstände, die zum Tod geführt haben waren für ihn nicht so interessant. Kinder haben da eine oftmals eigene Auffassungsgabe zu diesem Thema. Tod sein, bedeutet für Kinder in diesem Alter etwas völlig anderes als für uns. 2 bis 3Jährige Kinder definieren Tod eher als ein „Nicht vorhandensein“. 4-jährige und 5-jährige zeigen üblicherweise Interesse für das Thema Tod und fragen viel nach. „Wo geht Opas Lachen hin?“ „Kann er uns von dort oben im Himmel auch sehen“ „Wie bekommt Opa da was zu essen?“ „Was passiert mit seinem Körper?“ In dieser Zeit haben aber auch wir bei ihm viel behutsam nachgefragt. Wir wollten dass er uns zeigt was er benötigt und was wir ihm zutrauen können. Am besten formuliere deine Anfragen bzw. deine Hilfsangebote sehr konkret. Bitte beachte dabei das Alter bzw. den Entwicklungstand deines Kindes.

In diesem Zusammenhang haben wir ihm auch freigestellt, ob er mit zur Beerdigung gehen möchte. Da eine Beerdigung schon für Erwachsende keine leichte Aufgabe ist hatten wir bei anderen Familienmitgliedern für diesen Fall nachgefragt wer notfalls auf ihn aufpassen könnte. Wäre er mit zur Beerdigung gekommen hätten wir auch dort auf die entsprechende Person zurück reifen können falls es für uns auch nicht möglich wäre. Unseren Kindergarten hatten wir auch früh informiert. Falls er sich lieber dort Hilfe oder Rat holen wollte sollten die Erzieherinnen vorbereitet sein. Unsere Erzieherinnen waren dadrüber sehr dankbar und konnten so auch sein Verhalten in dieser Zeit besser deuten.

Heute ein halbes Jahr nach dem Tod meines Vaters hat sich das Leben neusortiert. In seinem Bücheregal sind einige Bücher über das Thema Sterben, Tod und Beerdigung eingezogen. In unregelmäßigen Abständen schaut der Kleine sich diese Bücher alleine oder gemeinsam mit uns an. Dabei wählt er sie von selbst aus. Bei Ausflügen blickt er manchmal zum Himmel und fragt nach ob jetzt sein Großvater dort oben wäre. In andere Situationen erinnern wir uns aber auch als Familie an ihn. Sei es beim gemeinsamen Abendessen oder beim zu Bett gehen. Der erste Schmerz ist gegangen. Trauer kann immer wiederkommen. Aber ich glaube auch, dass unser Sohn durch diese Zeit viel über Gefühle, den Stellenwert der Familie und das Leben gelernt hat.

Einen speziellen Dank möchte ich gerne an unsere Hebamme Verena vom Geburtshaus Paderborn aussprechen. Ohne sie wäre in dieser Zeit einiges anderes gelaufen. Vielen Dank auf diesem Weg an Dich. Du warst uns eine Stütze.

Foto: Bestimmte Rechte vorbehalten von Darius Family

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