„Kindeswohl“ – Ein Stück über das Bekenntnis zum Leben

Drei Schauspielern auf der Bühne des Hamburger Schauspielhaus im Stück "Kindeswohl".

Im Hamburger Schauspielhaus inszenierte Karin Baier Ian McEwans Roman „Kindeswohl“. Es geht dabei nicht um einen Streit zwischen Eltern vor einem Familiengericht. Es um eine Richterin, die sich entscheiden muss, das Leben eines Jugendlichen Zeugen Jehowas gegen seinen und den Willen seiner Eltern zu retten. Denn Bluttransfusionen sind bei dieser christlichen Sekte aus religiösen Gründen verboten. Ich war im Hamburger Schauspielhaus und habe mir das Stück angesehen. Nur kurz nach dem Massaker an Zeugen Jehovas in Hamburg mit 7 Toten (inklusive des Täters). Da wird schon deutlich, um was es eigentlich geht: Um das Leben, um eine persönliche Bekenntnis für das Leben – oder für den Tod.

Es ist ja bezeichnend, dass es eine religiöse Gruppe für den Tod und gegen das Leben entscheidet. Sie glauben an einen Gott und ein Leben bei ihm, also nach dem Tod im Paradies. Hierauf vertrauen sie. Warum auch immer. Dieser Glaube aber verführt ist dazu, unter bestimmten Umständen das Leben geringer zu schätzen, als den Tod. Mein Glaube aber ist, dass wir uns zum Leben bekennen und für das Leben entscheiden müssen, weil das Leben heilig ist und nicht irgendein Buch oder ein selbstausgedachter Gott.

Wir finden die destruktiven Motive gegen das Leben in vielen religiösen Gruppen, denken wir etwa an die russisch-orthodoxe Kirche im Ukrainekrieg, an den Islamischen Staat, die Taliban, den Mullahs im Iran oder die religiöse Rechte in den USA mit ihrer Liebe zu Waffen und Gewalt. Verschiedentlich finden wir religiöse Sekten, die durch Massenselbstmorde einer weltweiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Ich will sie nicht alle aufzählen, es ist aber bemerkenswert, dass sich aus den Reihen jener, die normalerweise die Deutungshoheit über das Leben und den Tod, über Liebe und Verbindung für sich lauthals beanspruchen – Stichwort Abtreibung, Sterbehilfe, Ehe für alle usw. – eine finstere Todessehnsucht und -Verklärung erhebt, die uns ratlos zurücklässt.

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Worum geht es im Stück „Kindeswohl“

Es handelt von einer Gerichtsverhandlung, bei der eine Richterin über das Schicksal, das „Kindeswohl“ eines 17-jährigen Jungen entscheiden muss, der in 3 Monaten volljährig wird. Der Junge, Adam, leidet an Leukämie und benötigt dringend eine Bluttransfusion, die seine Eltern jedoch aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen ablehnen.

Im Verlauf der Verhandlung muss die Richterin entscheiden, ob der Staat das Recht hat, in die elterliche Autorität einzugreifen und das Leben des Jungen zu retten.

Während des Gerichtsverfahrens muss sich die Richterin auch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen und nicht nur mit dem „Kindeswohl“, denn ihre Ehe steckt in einer Krise. Ihr Mann hat sie betrogen, da sie ihn vernachlässigt hat. Aber er will sie nicht verlassen und sie weiß nicht, was sie tun soll. Sie rettet das Leben des Jungen, der nun bei ihr Zuflucht sucht, da er von den Zeugen Jehowas genug hat. Es kommt zu einem Kuss und die Richterin entscheidet sich dagegen, ihn bei sich aufzunehmen. Am Ende stirbt der junge Mann dann doch und die Richterin macht sich Vorwürfe, während ihr Mann ein wunderbarer Bekenntnis Bekenntnis zum Leben abgibt.

„Kindeswohl“ ist ein fesselndes und kontroverses Stück, das Fragen aufwirft, die weit über den konkreten Fall hinausgehen. Das Stück regt dazu an, über die Grenzen von persönlicher Freiheit und staatlicher Intervention nachzudenken und darüber, wie wir als Gesellschaft Entscheidungen treffen, die das Wohl von Kindern und Familien betreffen. Aber auch, wie wir Paarbeziehungen leben wollen: Lebendig und bereichernd oder …

Die Kraft des Theaters und des Lebens

Ich mag Theater und ich liebe das Schauspielhaus in Hamburg. Und diese Stück hat es mir angetan. Es ist aus meiner Sicht nur oberflächlich um den Konflikt des Staates (Stichwort: Kindschaftsrecht) mit der Ansichten und Lebensvorstellungen der Eltern. Auch der Nebenkonflikt der Ehekrise, der auf den ersten Blick nichts mit dem Thema „Kindeswohl“ zu tun hat und uns etwas irritiert, ist nicht relevant in diesem Theaterstück. Die Paarbeziehung, wie sie zu gestalten wäre und wie sie sich entwickelt hat, steht nicht im Zentrum – sondern die Zukunft, wie es weitergeht.

Es wird gezeigt, dass man niemanden zum Leben zwingen kann. Wenn man nicht um sein Leben kämpfen will, wenn man das Leben nicht LEBEN, wenn man in seiner Beziehung nicht LEBT, dann ist dieses Leben eben nicht zu retten. Man kann andere nicht retten, sondern hat eigentlich genug damit zu tun, selber ein erfülltes Leben zu leben. Und manchmal kommt man an genau diesen Punkt, dass man sich bekennen muss: Willst du LEBEN oder sterben?

Ich habe meine Entscheidung vor vielen Jahren getroffen und sie hält noch immer. Ich wünsche allen, allen Menschen, dass sie es zu einem Bekenntnis zum Leben schaffen. Denn dann sieht alles ganz anders aus, dann können wir uns unterstützen und auch „Kindeswohl“ bedeutet dann, Leben zu schützen und zu beschützen, zu fördern und zu lieben. Und alles, was dem entgegensteht, ob Religion oder eine andere Ideologie, abzulehnen.

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