Kinder sind kleine Egoisten, heißt es immer wieder. Im Rausch ihrer natürlichen Egomanie, zimmern sie ihren Spielkameraden den Schaufelbagger an den Schädel und ziehen wie die Sonne im Sternensystem bei einer Familienfeier alle Aufmerksamkeit mit voller Absicht auf sich. So sollen sie nun mal sein, die kleinenRacker und Märchenprinzessinnen. Wenn alles sich nur um sie dreht und sie im Mittelpunkt (der Aufmerksamkeit) stehen, sind sie zufrieden. Das scheint die Welt eines kleinen Kindes aus der Sicht mancher Erwachsener zu sein.
Ich habe es neulich wieder erlebt, dass die Annahme, die wollen stets im Mittelpunkt stehen, für eine unumstößliche Tatsache gehalten wird. Um mich zu erklären: Ich halte davon überhaupt nichts.
Ich gehe nicht davon aus, dass jeder Bengel seiner Konkurrenz einen an den Latz knallt, noch dass es in der Natur des Kindes liegt, ständig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Wie das immer so ist mit Vorurteilen und allgemeinen Annahmen, schaut man nicht mehr genau hin. Fragt weder, mit welchem Kind man es zu tun hat, unter welchen Umständen es lebt, wer seine Eltern sind, noch wer der Mensch ist, der die Beobachtung derAufmerksamkeitssucht gemacht hat.
Ein Kleinkind weiß weder was eine Bühne ist noch, dass Deutschland einen Superstar sucht. Hoffentlich. Dabei ist die Sache ganz einfach und hat nichts mit einem schwarzenAufmerksamkeitsloch zu tun, in dem Kinder um der Sache selbst willen Star und Mittelpunkt sein wollen.
Ein Kind braucht Nähe. Kinder brauchen Anregungen und Schutz. Das sind ihre angeborenen Bedürfnisse. Zusammen mit Neugier auf das, was Außen geschieht und wie sie selbst das Außen gestalten (mit eigenen Tönen, Handlungen, Bewegungen undMimiken ), könnte ein Beobachter meinen, dass das Kind im Mittelpunkt stehen möchte. Aber diese Annahme sagt mehr über den, der sie äußert aus, als über das Kind.
Ein Kind möchte dabei sein, möchte dort sein, wo alle anderen sind, wo die Bezugspersonen sind. Ein Kind will und muss am Leben teilnehmen, das ist ihm angeboren und braucht nicht interpretiert zu werden. Mir scheint, dass dies Haltung, Kinder suchten den Mittelpunkt, nur in den eherkategoriefreundliche Ländern (Stichwort: Schublade), wie es Deutschland nun mal ist, ein Thema ist. In Spanien und in den südlichen Ländern sind Kinder einfach mit von der Partie. Fertig.
Es mag ja tatsächlich Kinder geben, die sich in den Mittelpunkt spielen. Das hat seine Gründe. Seine guten Gründe. Natürlich ist es jedenfalls nicht. Vielleicht bekommt das Kind, dass ständig um Aufmerksamkeit ringt, nicht genug davon, also nicht genug Wärme und Körperkontakt. Das aber führt nicht zu so griffigen Aussagen von einigenAssenstehenden: Will im Mittelpunkt sein.
Ich mag das nicht.
Foto: Andreas
Ein Kommentar
stimmt. Man kann es nicht verallgemeinern, dass alle Kinder im Mittelpunkt stehen wollen. Die, die es jedoch wollen, die können meist nichts dafür. Denn von den Eltern wurden sie dazu „erzogen“. Von Anfang an das „Ein und Alles“ werden sie daran gewöhnt immer wieder im Kreise von Erwachsenen der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Wenn sie dann älter werden, wird von ihnen plötzlich erwartet, dass sie sich selbst beschäftigen können. Dass die Erwachsenen mal in Ruhe reden wollen. Wie sollen die Kleinen plötzlich damit klarkommen, die nie dazu angeregt wurden, sich mit sich zu beschäftigen weil immer alle „Spiel doch mal hiermit!“ oder „Schau doch mal hier!“ gerufen haben.
Typisches Phänomen (Emmi Pikler hat es ausführlich beschrieben, sehr interessant!), aber eben nicht auf alle Kinder anwendbar und zu verallgemeinern. Da stimme ich zu!
Viele Grüße aus Wien.