Unser Schulsystem ist Mist! Schule auf dem Prüfstand von Leschs Kosmos

Alter Klassenraum in unserem Schulsystem

Das Thema Schule und Schulsystem sind für mich Dauerbrenner. Wie wir Lernen und was die Institution – der Staat und seine Diener*innen – dagegen tun können 😉 interessiert mich brennend. Ich bin sehr gerne Elternrat an der Grundschule meiner Tochter (8) und beobachte die Entwicklung nicht nur aus der Distanz. Auf dem Schreibtisch liegt immer noch Remo Largos Lernen geht anders – Bildung und Erziehung vom Kind her denken.

Ich freue mich, dass die Schulen nicht mehr sind, was sie mal waren. Die Grundschule heute ist kein Vergleich mehr mit der der 60er und 70er-Jahre. Dazwischen liegen Welten. Und Regierungen. Und Entwicklungen. Und Eltern. Und das ist gut so. Dennoch ist das Schulsystem noch sehr weit entfernt von „gut“, angemessen, wissenschaftlich und … menschlich. Aus meiner Sicht ist unser Schulsystem durchgefallen.

Kürzlich hatten wir Eltern-Lehrer-Kind-Gespräche. Meine Kleine saß inklusive ihrer Eltern vier Erwachsenen gegenüber, die sie beurteilten und über sie redeten. Dabei lag – entgegen der Intention der Schule, wie mir die Direktorin in einer Elternratssitzung versicherte – ein Schwerpunkt auf den angeblichen Defiziten meiner Tochter und nicht auf ihre Stärken. Es kam das in den Fokus, was sie noch verbessern solle und nicht das, was sie schon sehr gut könne. So ist dieses Schulsystem. Genau so. Immer noch. Es flossen Tränen. Das wollte natürlich keiner, aber mir tat es sehr weh. Vor allem weil die Defizite dieselben waren, wie damals bei ihrem Vater: Mathe und … Rechtschreibung. Ich habe in dem Gespräch meiner Ansicht Ausdruck verliehen, dass ich NICHT finde, das meine Tochter diese Dinge in der Grundschule unbedingt erlernen muss; und ich ihre eher durchschnittlichen bis unehrgeizigen Ergebnisse als ganz normal erachte, sie also nicht als Defizite bewerte! Vor allem weil sie offensichtlich an ganz anderer Stelle ihre Stärken hat.

Sie ist gut im Erzählen, in Sachkunde und „Geschichte“, hat eine hohe soziale und emotionale Kompetenz, ein richtig gutes Einfühlungs- und Ausdrucksvermögen, und ein echtes Talent für Körperbeherrschung bzw. -Koordination. Aber das wird in unseren Schulen immer noch kaum beleuchtet bis unterbewertet. Allein die PISA-Studie misst etwas ganz anderes. Und unsere Politiker, sowie nicht wenige Eltern, halten die MINT-Fächer – Rechnen, Lesen, Naturwissenschaft – für maßgeblich bei der Bewertung unseres Schulsystems und am Ende … unserer Kinder. Es ist genau wie Harald Lesch in seiner Sendung Durchgefallen? Schule auf dem Prüfstand sagte: Unser Schulsystem wird unseren Kindern nicht gerecht. Und die Pisa-Studie schon gleich gar nicht. Die Schule soll das Menschenmaterial für die Wirtschaft herstellen, der Rest ist wumpe.

Das Schulsystem wandelt sich viel zu langsam

Ich ärgere mich immer noch über das Ergebnis der Volksabstimmung über die Hamburger Schulreform. Es gewannen die Angsthaber und Bedenkenträger, die Konservativen, für die ein Schulbeginn um 8 Uhr schon spät ist und die nicht wollen, dass ihre hervorragenden Kinder länger als 4 Jahr mit den Abgehängten zusammen in einer Klasse verbringen. Man hält an den Vorgaben des 19. Jahrhunderts fest und es funktioniert ja irgendwie auch – der deutschen Wirtschaft geht es besser als jemals zu vor.

Die besagte Lesch-Sendung solltet ihr unbedingt sehen. Es geht um den viel zu frühen Schulbeginn für Pupertiere. Die Wissenschaft ist eindeutig und weiß es schon lang, dass die Jugendlichen morgens länger schlafen sollten. Getan aber wird kaum etwas. Das ist nicht nur ignorant, sondern auch krass und am Ende unmenschlich. Dabei würde sich alle, selbst Lehrer, einen späteren Schulbeginn wünschen. Schon eine halbe Stunde später hat deutlich positive Auswirkungen, wie eine Studie feststellte. Siehe dazu auch: „Besser erst um neun“.

Das erinnert mich beispielsweise an die absolute Unfähigkeit der Politik, die sinnlose und auch Menschenleben fordernde Zeitumstellung unkompliziert abzuschaffen. Und es erinnert daran, das die Verantwortlichen auch andere Ungerechtigkeiten ums Verrecken nicht aus dem System tilgen wollen. Stichworte sind hier der Steuerbauch, die Umgangsregelungen im Familienrecht und die „Düsseldorfer Tabelle“, außerdem verschiedene Gesetze, die Missbrauch und Korruption begünstigen. Aber das führt uns weg vom Thema dass unser Schulsystem Mist ist. Daher sehe ich es als meine Aufgabe, mein Kind vor den Anforderungen der Gesellschaft zu schützen. Übrigens auch vor dem Weltbild und dem Ehrgeiz der Waldorf-Schule/-Pädagogik.

Es führen viele Wege nach Rom, sage ich immer. Von der Schule hängen sie nicht ab. Sie erleichtert manches, aber nicht für alle. Wer will denn unter einem Chef arbeiten, dem Zeugnisse und Noten – also geduldiges Papier – wichtiger sind, als Charakter, Sympathie und Wille.

Wie in der Sendung Durchgefallen? Schule auf dem Prüfstand! festgestellt wird: „Chancengerechtigkeit Fehlanzeige – Nirgendwo hängt der Bildungserfolg so stark vom sozialen Status und Bildungshintergrund der Eltern ab wie in Deutschland. Die Kritik am Schulsystem wird seit Jahren lauter – der Reformdruck steigt. Doch was genau macht guten Unterricht aus? Und welche Maßnahmen sind wirklich sinnvoll?“.

Lichtblick „individuelles lernen“ – das Lernen der Zukunft

Ein Licht wurde in unserer letzten Elternratsitzung entzündet. Nämlich das Licht des individuellen Lernens und von daher die Fokussierung auf die Talente und Stärken und nicht auf die Defizite, nach der die Grundschule sich ausrichten möchte. Mein Defizit in Mathe wollte die Schule damals in dern 70ern mit noch mehr Mathematik beikommen – mit dem Wahlpflichtfach „angewandte Mathematik“. Absolute Fehlanzeige, vollkommen wirkungslos. Stattdessen hätte man erkennen müssen, wer ich bin und was meine wirklichen Talente sind. Das gab es damals nicht und vielleicht heute auch nicht. Und genau dies zementiert die starke Ungleichheit im System. Aber es wird anders. Ob wir das noch erleben werden? Durchaus möglich.

Ergänzende Links:

  • Machen Sie den PISA-Test
  • Das Wissenschaftsmagazin im ZDF Leschs Kosmos
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4 Kommentare

  1. „Ehrgeiz der Walddorf-Schule/-Pädagogik“

    ich hoffe, Du sagst nicht „Klugscheisser!“, wenn ich Dich auf den Fehler hinweise:

    richtig ist Waldorfschule mit einem „d“ …

    „Waldorf oder Walddörfer?“ Dazu gibt es einen kernigen Kommentar – Leserbrief an die taz – von Harry Rowohlt:

    „Selbstsicher dank Walddörferschule

    betr.: „Selbstsicher dank Waldorfschule“ von Richard Roman, taz vom 1. 10. 05

    Ich bin nicht auf die Waldorf-, sondern auf die Walddörferschule gegangen, in Hamburg Volksdorf, dem grünen Herzen der Walddörfer.

    Auf Klassenreisen z. B. konnte man gar nicht laut genug darauf hinweisen, weil Herbergsväter, wenn sie „Walddörfer“ hörten und „Waldorf“ verstanden, sofort Angst bekamen, sie müssten sich jetzt eine Woche lang mit verzärtelten, bettnässenden Einzelkindern herumschlagen, die keine Margarinestullen schmieren und nicht Backschaft machen können. Wegen der Epitheta „hochkarätig“ und „Elite“ will ich mal davon absehen, eingeschnappt zu sein.

    HARRY ROWOHLT, Hamburg“

    Die Quelle für den Leserbrief findest Du in meinem Artikel „Töne wie aus einer undichten Gummizelle!“, dort sagt Harry Rowohlt noch mehr zur Waldorfschule, Zitat:

    „(…)

    Bernd Durstewitz: “Haben Sie etwas dagegen, mit der Waldorfschule in Verbindung gebracht zu werden?”

    Harry Rowohlt: “Alles. Wegen der ewigen Verwechselung habe ich mich mal mit den Schriften Rudolf Steiners beschäftigt. Da fand ich eine schöne Textstelle: ‘Der Blonde, Blauäugige ist dem Dunkelhaarigen, Braunäugigen intellektuell überlegen, weil bei Letzterem zuviel Geisteskraft in die Pigmentierung fließt’. Das wäre geeignet gewesen für ein Quellenverzeichnis von Hitlers ‘Mein Kampf’. Töne wie aus einer undichten Gummizelle!”

    (…)“

    siehe: https://hpd.de/artikel/10216

  2. „Es geht um den viel zu frühen Schulbeginn für Pupertiere. Die Wissenschaft ist eindeutig und weiß es schon lang, dass die Jugendlichen morgens länger schlafen sollten. Getan aber wird nichts. Gar nix.“

    kann man so nicht sagen …:

    Ich hab daraus einen „Running Gag“ gemacht, bin auf dem Gymnasium in der ersten Stunde – regelmässig – zu spät gekommen … zum Beispiel bei „Otto Reichsmeier“, dem rechten Geschichtslehrer, der hatte es nicht so mit „Widerstand“ …

    1. … war es auch „Widerstand“, als ich plötzlich in „Kunst“ eine „6“ hatte, statt vorher immer eine „1“?

      Ich bin einfach nicht mehr hin gegangen, die neue Kunstlehrerin meinte, mit uns „Kunstgeschichte“ machen zu müssen: in Büchern lesen, statt irgendwas SELBER ZU MACHEN ?!?

      Daran habe ich mich dann erinnert, als ich die Aufnahmeprüfung an der „HdK“ („Hochschule der Künste“, heute „UdK“) bestanden habe … hast Du eine Idee, was man daraus lernen könnte?

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