Anne Dittmann beschreibt in Ihrem Buch Jungs von heute, Männer von morgen eindrücklich, wie stark der Druck auf vielen Jungs lastet. Sie wirken selbstbewusst, sportlich, laut oder entspannt – und doch tragen sie eine stille Last aus Scham, Anpassung und Unsicherheit. Ihre Wildheit ist oft echt, aber nicht selten auch Schutz. Ihre Coolness ein Panzer, den sie früh anlegen.
Jungs von heute, Männer von morgen zeigt diese Spannung zwischen Spielen und Funktionieren, zwischen Mutproben und Rückzug. Dittmann beobachtet feinfühlig, wie Jungs Rollen übernehmen, bevor sie begreifen, wie sehr sie darunter leiden können.
Pseudoresilienz: Die gefährliche Kunst, stark wirken zu müssen
Ein zentraler Begriff des Buches ist „Pseudoresilienz“. Viele Jungs von heute wirken stabil, weil sie gelernt haben, Gefühle zu kaschieren. Sie halten durch. Sie „reißen sich zusammen“. Sie vermeiden Schwäche wie eine Blamage. Erwachsene – auch wir Männer – verwechseln diese Coolness gern mit Reife.
Doch Dittmann zeigt: Diese scheinbare Stärke ist oft nur eine dünne Membran. Darunter sitzen Angst, Selbstzweifel, Überforderung. Und genau diese verdeckte Verletzlichkeit macht so viele Krisen im späteren Leben verständlich.
Eine weibliche Perspektive auf Jungs – und warum sie notwendig ist
Warum aber schreibt ausgerechnet eine Frau dieses Buch über Jungs? Die Antwort steckt zwischen den Zeilen: Viele Männer wurden selbst zu früh abgehärtet. Zwischen Pflichtgefühl, Schweigen und männlichem Stolz ist wenig Raum für Selbstreflexion entstanden. Deshalb fällt es Männern oft schwer, die emotionalen Codes von Jungs zu entschlüsseln.
Dittmann nimmt diesen Raum ein – nicht belehrend, sondern ergänzend. Sie benennt, was viele Männer fühlen, aber ungern sagen:
Dass sie nie gelernt haben, ihre eigene Verletzlichkeit zu lesen.
Dass Nähe manchmal fremd wirken kann.
Dass sie sich schwertun, bei Jungs das zuzulassen, was ihnen selbst verwehrt wurde.
Ihre Perspektive schließt eine Lücke – eine sehr menschliche. Das können Männer auch, aber sie tun es nicht. Sie wabern nicht selten entweder in einer männergrüppischen spirituellen Blase oder finden Erlösung im Penetrieren der Welt durch Verklärung von Männlichkeit. Das wird einem komplexen, vielfältigen und toleranten Rollenvorbild nicht gerecht. Vielleicht sind es ja gerade Frauen, die uns Kerlen begreiflich machen können, was wirklich wichtig ist.
Wo Jungs heute Halt finden müssen
Jungs brauchen Erwachsene, die präsent sind. Nicht autoritär, nicht überfrühmodernisiert, sondern authentisch. Sie brauchen Männer und Frauen, die ihnen zutrauen, komplex zu sein.
Nicht nur wild.
Nicht nur cool.
Nicht nur „schwierig“.
Sondern Junge Menschen, die ihren Weg suchen.
Das Buch Jungs von heute, Männer von morgen zeigt, wie wichtig es ist, dass wir ihnen Halt geben, ohne sie zu lenken. Orientierung geben, ohne sie zu überfordern. Verlässlichkeit geben, ohne sie kleinzuhalten.
Alltagsnahe Szenen, die die innere Welt der Jungs sichtbar machen
Dittmann schreibt aus dem Leben: Streit am Morgen, Erschöpfung am Nachmittag, Überdrehen am Abend. Sie beschreibt diese alltäglichen Mikrodramen, in denen sich entscheidet, ob ein Junge Vertrauen fassen kann oder nicht.
Sie zeigt, wie Jungs mit Leistungsdruck umgehen, wie sie im Freundeskreis kämpfen, wie sie im digitalen Raum verloren gehen können. Und immer wieder öffnet sie die Türen zu dem, was sie eigentlich sagen wollen, aber nicht ausdrücken können.
Warum dieses Buch wichtig ist
Am Ende bleibt ein Gefühl der Dringlichkeit – nicht der Panik. Dittmann will nicht alarmieren, sondern sensibilisieren. Sie lädt uns Erwachsene ein, die Jungs von heute anders zu sehen: intensiver, zarter, wacher.
Denn Jungs brauchen weniger Helden und mehr Menschen, die ihnen zuverlässig begegnen. Menschen, die da sind, auch wenn es laut wird. Menschen, die zuhören, wenn die Coolness bröckelt. Menschen, die ihnen zutrauen, Erwachsene zu werden, ohne sie vorher zu verbiegen.
Dieses Buch ist ein behutsamer, kluger Beitrag dazu.
Jungs von heute, Männer von morgen – Was unsere Söhne für eine gleichberechtigte Zukunft von uns brauchen
Autorin: Anne Dittmann
Verlag: Kösel-Verlag
Erscheinungsdatum: 01. Mai 2025
ISBN-13 (Paperback): 978-3-466-31231-3
Seitenzahl: 272 Seiten
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