Thomas Erikson, der schwedische Verhaltensexperte, hat wieder zugeschlagen. Nach Alles Idioten!?, Alles Psychopathen! und Alles Narzissten! kommt nun das Buch, das uns freundlich, aber gnadenlos den Spiegel vorhält: Alles Lügner. Und es geht dabei nicht nur um die anderen. Es geht um dich. Um mich. Um die kleine Notlüge am Frühstückstisch und die dicken, faulen Ausreden, die wir uns selbst servieren, wenn wir zu feige sind, die Wahrheit anzuschauen. Erikson schreibt, wie man ihn kennt – klug, ironisch und mit einem scharfen Blick für menschliche Eitelkeiten.
Er beginnt mit einer unbequemen Wahrheit in Alles Lügner!?: Niemand ist ehrlich. Schon gar nicht zu sich selbst. Das klingt ernüchternd, wird aber unter seiner schwedischen Gelassenheit fast heiter. Erikson zeigt, dass Lügen keine moralische Katastrophe sind, sondern ein evolutionäres Überlebenswerkzeug. Ohne sie gäbe es keine Zivilisation – und wohl auch keine funktionierende Beziehung. Wer wollte schon ständig die ganze Wahrheit hören?
Warum die Wahrheit zu weh tut
Im Zentrum des Buches stehen die vielen Gesichter der Unwahrheit. Da sind die charmanten Schwindler, die aus Höflichkeit lügen, die Strategen, die Täuschung als Machtmittel nutzen, und die Selbstbetrüger, die ihre Geschichten so lange wiederholen, bis sie selbst daran glauben. Erikson präsentiert sie mit Anekdoten, Forschung und feiner Menschenkenntnis – unterhaltsam, aber nie banal.
Alles Lügner ist dabei mehr als ein Ratgeber. Es ist ein Blick in den Maschinenraum unserer Seele. Wir merken beim Lesen, dass Lügen meist mit guten Absichten beginnen: aus Angst vor Konflikten, aus Rücksicht, manchmal aus Sehnsucht nach Zuneigung. Doch aus den kleinen Schonungen werden schnell Abhängigkeiten, Manipulation und Gaslighting.
Von der Notlüge zur Manipulation
Erikson beschreibt mit Präzision, wie die harmlose Flunkerei in bewusste Manipulation kippt. Dabei bewegt er sich souverän zwischen Psychologie, Alltagsbeobachtung und sozialem Kommentar. Kein Fachjargon, keine Moralfalle – stattdessen klare Bilder und ein fast detektivischer Blick: Wie erkennt man, ob jemand die Wahrheit sagt oder nur so tut?
Besonders stark wird das Buch, wenn Erikson die Dynamik systematischer Manipulation aufdeckt. Gaslighter, so erklärt er, schaffen alternative Realitäten, bis ihr Gegenüber sich selbst nicht mehr traut. Es geht nicht bloß um Lügen – sondern um Macht, Kontrolle, Identität.
Übrigens: klar ist, dass der aktuell berühmteste Lügner der Geschichte der US-amerikanische Präsident Donald Trump ist. Jeden Tag fällt er mit neuen Lügen und mit harten Behauptungen, die er niemals belegt, aus dem Rahmen …
Der Selbsttest: „Bin ich ein Lügner?“
Ein Glanzstück des Buches Alles Lügner ist der Selbsttest, den Erikson anbietet. Keine spaßige Persönlichkeitsschablone, sondern eine ehrliche Übung in Selbsterkenntnis. Wer den Test ernsthaft ausfüllt, merkt schnell: Wahrheit ist oft Ansichtssache. „Bin ich ehrlich oder bequem?“ lautet die eigentliche Frage. Eriksons Ton bleibt dabei ermutigend. Er zeigt Wege auf, wie wir Manipulation durchschauen – und ehrlich werden, ohne die Welt verstummen zu lassen.
Die berühmtesten Lügner der Geschichte
In einer Mischung aus Humor und Kaltblütigkeit zerlegt Erikson die Lügen berühmter Figuren der Zeitgeschichte. Doch statt sie moralisch abzukanzeln, seziert er ihre Strategien. Warum glauben Menschen offensichtliche Unwahrheiten? Weil wir glauben wollen, so Eriksons These. Der Mensch ist ein Geschichtenerzähler – und die beste Lüge ist jene, die wir mit Begeisterung weitererzählen.
Hier zeigt er sich als brillanter Psychologe. Er begreift Lügen nicht als Fehlverhalten, sondern als Kommunikationsstil. Und er öffnet die Augen dafür, wie tief Selbsttäuschung in unserem Alltag verankert ist – von Social Media über Politik bis zum Familienleben.
Humor, Erkenntnis und ein Schuss Selbstironie
Alles Lügner liest sich amüsant und schmerzhaft zugleich. Erikson schreibt klar, temporeich und mit spielerischer Präzision. Seine Beobachtungen treffen, aber sie verletzen nicht. Statt moralischer Kolumne liefert er Lesestoff zum Nachdenken. Wer diesen Autor schon kennt, findet bekannte Themen in neuer Schärfe – und eine Tonlage, die weniger auf Diagnose, mehr auf Erkenntnis setzt.
Humor ist dabei ein wichtiges Stilmittel. Wenn Erikson über Politiker, Chefs oder Ehepartner schreibt, die mit der gleichen Routine lügen wie Kinder beim Plätzchenklau, schmunzelt man – und denkt zugleich: Stimmt, so läuft’s.
Ein Buch für wache Köpfe
Am Ende ist Alles Lügner kein moralisches Urteil, sondern ein Aufruf zur Selbstreflexion. Wir lügen alle. Aber wer das erkennt, kann anfangen, bewusster zu sprechen – und klarer zu hören. Erikson schafft, was nur wenige im Sachbuch schaffen: Er unterhält, er bildet, und er verändert den Blick auf die Wirklichkeit.
Wer nach dieser Lektüre jemandem zuhört, hört anders zu. Und wer noch lügt, weiß wenigstens, warum.
Alles Lügner!? Endlich verstehen, wie andere manipulieren
Autor: Thomas Erikson
Originaltitel: Alla Lögner
Verlag: Rowohlt Verlag
Erscheinungsjahr: 2025
Kategorie: Psychologie / Kommunikation / Persönlichkeitsentwicklung
Umfang: 320 Seiten
Leseprobe Alles Lügner!?
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