Buchtipp: Gegessen – 13 Jahre Bulimie und Magersucht

Buchcover: gegessen

Ich habe die Bücher schon länger hier liegen, die Lektüre fiel mir nicht leicht. Die beschriebenen Leiden sind schrecklich und für mich nur sehr schwer nachzuvollziehen. Bulimie und Magersucht entziehen sich meinem Verständnis. Aber das ist auch nicht wichtig. In gegessen geht es um Phänomene, die nicht weniger werden in unseren Gesellschaften und in der Regel junge Frauen und jugendliche Mädchen betreffen. Ich stelle das Buch in meinem Vaterblog vor, nicht nur weil ich eine Tochter habe und hoffe, dass sie das nicht erleiden muss – sondern weil ich auch Frauen kennen, die durch diese Sucht geprägt wurden und mir immer wieder scheußlich dünne Fräuleins über den Weg laufen, die ich am liebsten aufhalten und spiegeln würde, wie schauderhaft sie aussehen.

Schauen wir zunächst den Buchtrailer zu der Sache an:
Buchtrailer Sonja Vukovic „Gegessen“

Sonja Vukovic ist eine wunderschöne, sehr attraktive Frau. Mir ist bisher aufgefallen, dass alle (junge) Frauen, denen ich begegnete und die man als Laie getrost als magersüchtig bezeichnen kann, eine besondere Ausstrahlung vor allem im Antlitz, im Gesicht besitzen. Sie haben nicht selten ein wunderschönes Gesicht, dem man oft den Verfall des Körpers auf den ersten Blick nicht ansieht. Man fühlt sich wie magisch zum Gesicht hingezogen und nimmt den Körper gar nicht wahr. Als Küchenpsychologe würde ich sagen, hier handelt es sich um eine Gegenübertragung: Es ist die unbewusste Absicht der Magersüchtigen, von ihrem Körper, den sie durch ihren extremen Ernährungsplan zum Verschwinden bringt, abzulenken, die Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht zu lenken. Wenn ich so etwas wahrnehme, ist bei mir immer Alarmstufe rot. Magersucht (Anorexia Nervosa) ist lebensgefährlich.

Da ich aktuell leider immer noch Single bin, komme ich auch mal mit Frauen in Kontakt, zum Beispiel über Facebook, die ich gar nicht kenne und noch nie gesehen haben. Manchmal telefonieren wir dann, um uns kennenzulernen. Ist zwar bisher nichts bei ausgekommen, weil entweder ich versaue das durch meine zuweilen provokante Art, die Damen sind vergeben oder eben beschädigt. Wie diese eine vom Stadtrand. Eine Sozialpädagogin, die ständig um sich selber kreiste. Extrem gestylte Fingernägel, alles irgendwie im Barbie-Style, der zuweilen etwas nuttig wirkte. Wir sprachen und es stelle sich heraus, dass sie eine Essstörung gehabt hätte. In der Tat sah sie auf den Bildern so aus. Ihr Traum war ein Mann, der sie heiratete. Egal weshalb. Barbie halt. Man sah kaum ihren Körper und wenn, dann nur Teile des Gesichts. Man konnte aber auf Facebook verfolgen, dass die TÄGLICH in ein bekanntes Fitness-Studie rannte. Wer macht so etwas, der noch bei Trost ist und ein „normales“ Leben lebt? Niemand hat Zeit dazu, also eben Magersüchtige und Jungs, die sich aufpumpen, um zum Mann zu werden. Ich fragte sie, ob sie sich mit dieser Sucht mal auseinandergesetzt und Therapie gemacht hätte. Ja, nein. Das brachte ihr nix, der Therapeut war irgendwie blöd, das wäre nichts für sie. Also weiter jeden Tag im Studio Kalorien verbrennen. Sie hatte nicht die Spur eines Problembewusstseins und war damit absolut nicht interessant für mich. Zumindest nicht als Kandidatin für eine Partnerschaft. Ich will mir schließlich durch eine Liebesbeziehung nicht noch mehr Probleme einhandeln, sondern … weniger.

Eine meiner besten Freundinnen hat Bulimie. Die ist nun, nach vielen Jahren, einer stabilen Partnerschaft, beruflichem Erfolg und einem Kind unter Kontrolle. Aber es ist eine richtige Sucht, die man nie wirklich loswird – samt all dem Leiden, durch das man durch muss(te). Bulimikerinnen sind in der Regel etwas fülliger, leicht übergewichtig, propper. Es ist die klassische Kotz- und Brechsucht, wobei die Kalorien, die man zu sich nimmt, nicht wie bei der Magersucht, durch ein extremes Sportprogramm, verbrannt werden, da durch nächtliche Heißhungerattacken, die auch beim kleinsten Frust aufkommen, sofort zum Kühlschrank gegriffen wird. Das unterscheidet die Bulimikerinnen von den Magersüchtigen. Offenbar ist der Übergang zu diesen Erkrankungen fließend, wie der Untertitel der Biographie von nahelegt.

Ausgekotzt – Ein Leben nach Missbrauch und Bulimie

In Deutschland leiden immer mehr Mädchen und Jungen in immer jüngeren Jahren an Essstörungen. Eine davon war Sonja Vukovic, sie litt dreizehn Jahre an Anorexie und Bulimie. Bis sie sich endlich traute, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Mit ihrer eigenen Geschichte offenbart die heute Einunddreißigjährige schonungslos die Schrecken einer Essstörung, die sie fast ihr Leben gekostet hätte. Immer auf der Grenze zwischen Rausch und Krankheit führt Vukovic uns tief in ein Unheil hinein, in das jeder von uns stürzen könnte – und zeigt, wie sie es in ein gesundes und glückliches Leben schaffte.

Sonja Vukovic schreibt so fesselnd, dass man als Leser geradezu süchtig danach wird, zu erfahren, wie ihre Geschichte weitergeht. Zwischen Scheitern und Sehnen, Verzweiflung und Erwartung bricht Vukovic Tabus, macht Betroffenen Hoffnung und legt den Finger in die Wunde der Gesellschaft, die dem Rausch huldigt, Süchtige aber verachtet.

Sonja Vukovic hat als Journalistin mit Schwerpunkt Biografie, Gesellschaftskritik und Sozialpolitik bereits für Die Welt, stern.de und Spiegel geschrieben. Sie wurde mit dem „Grimme Online Award“ und dem „Axel-Springer-Preis“ ausgezeichnet. 2013 erschien ihr internationaler Bestseller Christiane F. – Mein zweites Leben. Nach dem Aufbau der F. Foundation für Suchtprävention und -aufklärung schreibt sie nun an weiteren Büchern. Heute lebt Sonja Vukovic in Berlin und ist Mutter einer Tochter.

Bastei Lübbe: Im Videointerview – Sonja Vukovic über ihr Buch „Gegessen“

Fazit

Ich bekomme keinen Zugang zu Magersucht und Bulimie und dem Schicksal dieser Frauen. Zu fremd erscheint mir die Vergewaltigung des eigenen Körpers mit entweder einem perversen – also krankhaftem – Schonheitsideal oder einer vollkommen untauglichen Stress- und Frustbewältigung durch Fressucht, Gier und Erbrechen. Aber was ich in dem Buch gelesen haben, ist lesenswert. Sonja Vukovic weiß, was sie macht, sie kann schreiben und sich deutlich machen. Das ist nicht jedem, nicht jeder Betroffenen gegeben. Umso wichtiger ist es, dass so ein Buch überhaupt existiert. Damit angehörige oder Betroffene, die es WIRKLICH WIRKLICH wissen wollen, besser nachvollziehen können, was vor sich geht.

Ebenfalls lesenswert ist der ZEIT-Artikel der Autorin unter dem Titel Bulimie und Anorexie – Wir brauchten die Magersucht.

Immer an der Grenze zwischen Rausch und Krankheit führt Sonja Vukovic uns tief in ein Unheil hinein – und zeigt, wie sie es in ein gesundes und glückliches Leben schaffte. „Ich war wie high, wenn mein Kreislauf kollabierte.“ Auf BILD.DE liest die attraktive Autorin aus ihrem Buch.

BUCH:

Gegessen: Wer schön sein will, muss leiden, sagt der Schmerz

Ausgekotzt – Ein Leben nach Missbrauch und Bulimie
von Sonja Vukovic
288 Seiten, Bastei Lübbe, September 2016
Broschiert EUR 15,-

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4 Kommentare

  1. Lieber Max, mich interessiert das Thema und wie du kenne auch ich das Thema immer wieder einmal aus meinem Umfeld. ich freue mich, wenn es eines der Bücher durch die Verlosung zu mir schafft.
    LG Ilseken

  2. Lieber Mark,
    gerne würde ich unter Zuhilfenahme dieses fesselnd anmutenden Opus eine differenzierte Synopse zu der lebensbedrohlichen Krankheit akquirieren!
    Herziche Grüße
    Falko

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