Medialer Umgang mit Tragödien: Jugendlicher ermordet 9-jährigen Jungen. Denkt jemand an die vielen im Straßenverkehr getöteten Kinder?

Tote im Straßenverkehr

„Die Polizei fahndet intensiv nach dem 19-Jährigen Marcel H., der einen Nachbarjungen (9) erstochen haben soll.“ schreib N-TV zur aktuellen Tragödie, dem Mord an einem Kind. Der Boulevard ist voll mit reißerischer Aufmachung, mit Panik, Hass und wilder Hatz. Sogar die Rocker der Bandidos, die gern mal in Mordfälle und Gewalttaten verwickelt sind, sollen den jugendlichen Mörder. In den sozialen Netzwerken wird voller Wut von Selbstjustiz fantasiert, das Theme ruft die verwegensten Instinkte der Menschen hervor. Verständlich. Oder? So schrecklich dieser Mord ist, wir trauern mit den Eltern des Jungen, die unser ganzes Mitgefühl und unsere Solidarität besitzen, so müssen wir auch darauf hinweisen, dass der Straßenverkehr mehr Opfer fordert, aber die nehmen wir einfach so hin …

Ich weise auf diesen Zusammenhang hin, weil ich tiefes Mitgefühl mit Eltern empfinde, die ihr Kind verloren haben. Und ich finde auch unsere Gesellschaft krank, krank in dem Sinne, dass die Menschen die Wirklichkeit mit dem kleinen Fokus, auf den die Medien sich richten, verwechseln. Was geschieht, wenn du dein Kind im Straßenverkehr verlierst. Egal weshalb, Unachtsamkeit, Unglück, Herzinfarkt am Steuer, Trunkenheit, überhöhte Geschwindigkeit. Und die gehts vor die Tür und stellst fest, dass die Welt sich weiter dreht, als wäre nichts geschehen. Die Leute steigen weiter sorglos in ihre Autos und nehmen Teil an dem Wahnsinn, der sich Straßenverkehr nennt. Niemand schert sich um dich und deinen Schmerz, die Gesellschaft scheint dein Opfer als normal und selbstverständlich hinzunehmen. Dein Totes Kind ist der Preis, den die automobile Mobilität der Menschen kostet. Und wenn du dein Kind an diesen Verkehrswahnsinn verloren hast, dann weißt du, dass das krank ist, wahnsinnig, unmenschlich, irre.

Im Jahr 2014 sind 71 Kinder dem Straßenverkehr geopfert worden

Im Laufe der Jahrzehnte ist die Zahl der Verkehrstoten rückläufig. Aktuell stirbt alle 5 Tage ein Kind im Straßenverkehr und das jedes Jahr. Früher waren es mehr, es gibt Fortschritte. Aber die traumatisierten, schwer verletzten und nach dem Unfall behinderten Kindern werden nicht gezählt.

„Unfälle mit Kindern gehören nach wie vor zum traurigsten Kapitel unseres Verkehrsalltages. Im Durchschnitt kam im Jahr 2014 alle 18 Minuten ein Kind im Alter von unter 15 Jahren im Straßenverkehr zu Schaden. Insgesamt waren es 28 674 Kinder, die im Jahr 2014 auf Deutschlands Straßen verunglückten (+ 1,9 % gegenüber 2013). Davon starben 71 Kinder, 13 mehr als im Vorjahr.“
Quelle: Kinderunfälle im Straßenverkehr 2014 des Statistischen Bundesamtes

Darüber regt sich niemand mehr auf. Das ist bitter. Aber wenn ein offensichtlich psychisch schwer gestörter Jugendlicher einen hilflosen Jungen umbringt, dann kommen die Bürger an ihre emotionalen Grenzen und rufen zuweilen nach der Todesstrafe. Es ist krank. Dass Jugendliche zu Mördern werden ist kein ungewöhnliches Phänomen in Zeiten des islamistischen Terrors.

Aber mir geht es um die vergessenen Toten, die vergessenen Eltern, das vergessene, alltägliche Leid. Und ich frage mich: Seid ihr eigentlich alle noch bei Trost? Hört auf mit diesem Wahnsinn! Opfert eure Kinder nicht mehr, kümmert euch, seit verantwortungsvoll, menschlich, klar. All die sinnlosen Opfer an den Straßenverkehr, den Alkohol, die Drogen, an den Krieg, an die Gewalt, an die Raserei, an die Finsternis.

Ich wollte das loswerden. Lasst uns das Leben schätzen und geben wir uns nicht der Verzweiflung und dem Hass hin, sondern helfen allen Eltern, die ihre Kinder verloren haben, wann und wo immer wir können. Unser Hass und unser Ruf nach drakonischen Strafen helfen diesen Eltern null. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung schon, oder ein Verbot Bier an 16-Jährige abzugeben. Aber das wird in der medial orchestrierten Entsetzen nicht mehr wahrgenommen. Das ist das eigentlich Problem – die stillschweigende Verschiebung der Realität.

Medienberichte zum Mord an dem 9-Jährigen Jungen:

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