Einschulung 2015: Angemeldet in der Rudolf-Steiner-Schule

Klassenzimmer in einer Waldorfschule

Wir haben es getan. Wir haben unsere Tochter, die 2015 eingeschult werden soll, in einer Rudolf-Steiner-Schule – landläufig als „Waldorfschule“ bekannt – angemeldet. Nach einem wunderbaren Tag der offenen Tür vor Ort haben wir uns dazu entschieden. Aus sehr vielen Gründen. Wir bekamen einen sehr guten Eindruck von der Schule, ich hatte sehr gute Gespräche mit einigen Lehrern und Lehrerinnen und denke, dass unser Mädchen dort sehr gut aufgehoben wäre. Einziges Problem: Sie muss auch angenommen werden, denn auf einen Platz kommen drei Grundschüler, wie es heißt. Dabei haben Kinder aus dem angeschlossenen Hort und Geschwisterkinder natürlich die besseren „Karten“. Aber mal sehen.

Wenn man mit anderen Eltern spricht, die kein Kind auf einer Waldorfschule haben, wird schnell klar, dass hier viel Verwirrung herrscht. Alle kennen irgendetwas vom Hörensagen, manchen pflegen klassische Vorurteile, Nichts Genaues weiß man nicht. Ich habe manchmal auch ein schnelles Urteil parat, aber wenn es um etwas geht, wie etwa um das Wohl meiner Tochter, mache ich es mir nicht so leicht. Ich versuche mich gründlich zu informieren, lese darüber, besuche vielleicht Vorträge, die manchmal auch nur am Rande mit der Aufgabe zu tun haben und führe viele Gespräche. Damit fange ich meist rechtzeitig an, so dass ich langsam ein Bild ergibt, an dem ich mich orientieren kann. Dann spricht der Bauch, das Gefühl muss stimmen, die Intuition, die Vision, das „Bauchgehirn“ muss ja sagen.

Aber zurück zu den Klischees in Sachen Waldorfschule. Am Ende des letzten Sommers traf ich einen Waldorf-Lehrer, der die gängigen Klischees bedienen wollte. Er hatte seine Tochter dabei und bemalte beim Kinderschminken kurzerhand und kreativ ihr Gesichtchen selber. Dabei trug er einen dieser seltsamen Hüte, die nur Künstler oder Waldorflehrer tragen und wirkte auch im Gespräch irgendwie so allwissend. Oder wie soll ich das nennen? Ich dachte nur: „Nein, das will ich nicht, damit habe ich nichts zu tun.“

Nun weiß ich ja nicht viel über Waldorfpädagogik, muss auch auf die Stereotypen zurückgreifen, wie auf die berüchtigte Eurythmie und die alternativen Lebensformen, Instrumente lernen, Künstlerei, Charakterstudien, feinstoffliche Energien, Menschenbild, Christentum. Dazu kommt dann noch Weleda Naturkosmetik, anthroposophische Medizin und homöopathische Tinkturen und Kügelchen. Nein, konkret habe ich Waldorfpädagogik nicht kennen gelernt. Aber ich kenne mich, meine Tochter … und unsere Nachbarin, die ihre beiden Töchter auf der Rudolf-Steiner-Schule hat.

Eine weitere Freundin meinte, das Schulgeld würde so und so viel Prozent vom Einkommen betragen. „Ist deine Tochter so verträumt?“ fragte sie mich als erstes. Ihr Jungchen war von Anfang an toll in Mathe, also mit Zahlen und irgendwie so klug. Deshalb wäre eine Waldorfschule nicht in Betracht gekommen. Soso.

Eine andere Mutter meinte, sie hätte sich die Schule angeschaut, sich aber dagegen entschieden, da die Kinder ja 8 Jahre den gleichen Klassenlehrer hätten.
„Hä? Das ist doch toll.“
„Ja, nee, aber nicht, wenn das Kind Problem mit dem hat.“
„Aber das hast du doch auf jeder Schule. Dann muss man eben wechseln, wenn es nicht geht. Aber das kann doch kein Argument gegen die Waldorfschule sein.“
„Nein, auch das Schulgeld …“

Weiterhin unbekannt ist, dass die Rudolf-Steiner-Schulen unabhängige Schulen sind. Das bedeutet, du kannst die eine nicht mit der anderen gleichsetzen, denn es steht und fällt mit dem Lehrkörper … und mit den Eltern. Die Waldorf-Schule in einem Edelstadtteil genießt den zweifelhaften Ruf der Versnobbung und des Etepetetisierung der Schüler, was an den bessergestellten Eltern läge. Andere Schulen stehen im Verdacht, die Lehre Rudolf Steiners – eben jene Waldorfpädagogik – besonders strikt zu befolgen. Sie würden ein ideologisches Gebäude errichten, in dem es jene Kinder – und Eltern – schwer haben, die sich da nicht einbauen lassen. Denn die Waldorfpädagogik ist schon sehr speziell, die Anthroposophie teilweise sehr abgefahren und zuweilen auch hanebüchen. Es mehren sich Hinweise, dass Rudolf Steiner tatsächlich einen Dachschaden hatte. Er war Esoteriker und unter diesen sind Haschmichs nicht gerade selten. Er war sicher ein Kind seiner Zeit. Während die Evolutionstheorie des genialischen Charles Darwin Ende des 19. Jahrhunderts die religiösen Grundfeste der Menschheit erschütterte, bildeten sich wilde Zirkel esoterisch-restaurativer Gegenbewegungen mit Tischerücken, Hellseherei, Östlichen Schnickschnack, Erleuchtung und der Lehre der Wiedergeburt.

Aber das führt jetzt zu seit. Hat das alles was mit meiner Tochter zu schaffen, mit ihrem Schulweg und der Rudolf-Steiner-Schule? Oder mit mir und dem Wahl der Schule? Nein.

Klassenraum der 1. Klasse unsere WaldorfschuleDie Kinder der Grundschule sitzen nicht an Tischen, sondern entweder im Kreis oder auf den roten Kissen (hinten) vor ihren Bänkchen

Warum auf die Waldorfschule?

Ich will man langsam auf den Punkt kommen in dem Beitrag hier. Denn es geht ja darum, warum wir unsere Tochter bei der Rudolf-Steiner-Schule angemeldet haben und glauben, dass dies das beste für sie, aber auch für uns ist. Leser meines Blog wissen, wie schwer ich mich mit den staatlichen Schulen tue, mit der Schulpflicht (die es z.B. in Frankreich nicht gibt, in Nordamerika nicht, nicht in Dänemark, der Schweiz, Großbritannien und Australien) und unserem Bildungssystem tue. Und dass ich sehr viel von Jesper Juul und Gerald Hüther halte, deren Gedanken, Anregungen, Hinweise und Darlegungen ich mit großem Interesse und viel Freude verfolge. Was liegt da also nahe, nach Alternativen zur staatlichen Grundschule zu suchen. Denn mir passt es nicht, dass die Kinder nach vier Jahren wieder auf eine neue Schule müssen, mir passt nicht, dass die zuständige Schule einen Computerraum für Grundschüler bereithält und Kunst viel zu wenig Raum erhält, und mir passt nicht, dass ich zu wenig Einfluss auf die Gestaltung diesen Lebensbereichs für meine Tochter habe. Deshalb habe wir uns selbst eine freie Bekenntnisschule angeschaut und viel informiert. Aber dies hier sind unsere Gründe dafür, unsere Tochter an einer Rudolf-Steiner-Schule anzumelden:

  • Sanfter Übergang von Kindergarten zur Schule
  • Kein Leistungsdruck und Konkurrenz-Denken
  • Gemeinschaft hat einen hohen Stellenwert
  • Die Kinder bleiben die gesamte Schulzeit über zusammen, werden nicht getrennt. Ein Klassenlehrer/eine Klassenlehrering begleitet die Klasse bis zur Oberstufe
  • Bildliches, körperliches Lernen, der Lerninhalt wird ERFAHREN
  • Erziehung zu Eigenständigkeit und Selbstbewusst (tägliche Begrüßung: „Ich freu mich, dass du da bist!“)
  • Lernschritte und -Aufgaben entsprechen dem Entwicklungsstand des Kindes
  • Künstlerische und handwerkliche Schwerpunkte
  • Jedes Kind lernt ein Instrument
  • Die seelische Entwicklung wird gefördert – fühlen, wahrnehmen, ausdrücken
  • Bewegung und innerer Freiraum hat einen hohen Stellenwert
  • Lehrer und Eltern sind Partner auf Augenhöhe, Kinder genießen hohen Respekt
  • Engagement der Eltern ist erwünscht
  • Der Schulweg ist sehr kurz, sicher und einfach
  • Schulgeld, Mitgliedbeitrag und Gebühren sind mit rund 200,- Euro durchaus bezahlbar

Habe ich noch was vergessen? Wahrscheinlich. Aber nicht, dass es ja noch nicht sicher ist, dass mein Töchterchen die Schule besuchen darf. Ich würde mich sehr, sehr freuen für sie. Aber auch für mich. Denn das hieße, dass ich keinen Ärger mit der Schule hätte, es keine grundsätzlichen Konflikte gäbe und ich meine Energie damit nicht vergeuden müsste. Aber gut. Die Entscheidung fällt Ende Februar.

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11 Kommentare

  1. Ich bin nun 60 Jahre und hatte das Glück auf die Waldorfschule bis inklusives Abitur zu gehen.Ich finde ,dass es das Beste ist was man dem Kind geben kann. Meine Söhne,gestandene Männer, waren auch auf der Waldorfschule.Sie haben mit 30 Jahren noch ganz enge Freundschaftsbeziehungen mit Ehemaligen wie ich auch. Und wenn man in der Welt rumreist,trifft man immer wieder einen ,der auch auf so einer Schule war. Jedenfalls kann ich nur sagen,dass die Menschen gut und bewusst in der Welt stehen und keine „Träumer“ sind!!!

    1. Ich selbst bin auch ehemalige Waldorfschülerin und ich kann nur gratulieren zu eurer Entscheidung! Es hätte für mich keine bessere Schulzeit und damit auch keine bessere Kindheit geben können. Doch dieses Empfinden ist sehr individuell und auch die Steiner Schule kann kein Garant für eine glückliche und erfolgreiche Schulbahn für jedes Kind sein. Konflikte und Probleme, Dinge, die nicht ganz optimal laufen gibt es an jeder Schule. Und gerade, wenn die Eltern viel Mitsprechen dürfen, heisst das ja auch immer dass man sich einigen muss. Und dies ist, wie wir wissen nicht immer einfach. Daher kann ich den Satz : „Denn das hieße, dass ich keinen Ärger mit der Schule hätte, es keine grundsätzlichen Konflikte gäbe und ich meine Energie damit nicht vergeuden müsste.“ nicht ganz unterstützen. Aber es ist sicherlich toll, die schulische Entwicklung seines Kindes so nah und aktiv miterleben zu dürfen.
      Ich drücke euch die Daumen, dass es mit der Einschulung klappt!

      1. Lieben Dank, Dili. Genau, darum ging es mir: „die schulische Entwicklung seines Kindes so nah und aktiv miterleben zu dürfen.“ Ich hoffe sehr, das wir durchkommen und schreibe dies auch hier im Blog!

  2. Viel Glück bei der Platzvergabe – ich hatte das gleiche „Bangen“ vor 10 Jahren, bevor unser Ältester einen Platz bekommen hat. Mittlerweile ist er in der 10. Klasse und sein Bruder in der 8. Es war und ist schön! Die richtige Entscheidung. Nochmal: Viel Glück und dann eine schöne, intensive und interessante Schulzeit!

  3. Hallöchen, bin heute via Facebook auf diesen Blog gestoßen und finde die Ausführungen sehr interessant und lebensecht. Vor etwas über 40 Jahren haben wir sehr ähnlich den Einstieg in das Thema gesucht und gefunden. deshalb will ich den Blog weiter verfolgen und habe mich eingeschrieben. Ggf. kommen wir zu echten Austausch-Gedanken. Wir werden sehn, bin am Ball. Beste Grüße und eine schöne Adventszeit …

  4. Ich habe meinen Sohn in die Rudolf Steiner Krabbelgruppe geschickt und mich selbst auch intensiv mit Anthroposophie befasst und ihn trotzdem nicht in der Waldorfschule angemeldet. Der Grund hierzu waren die anderen Eltern, welche zum Teil viel reaktionärer waren als die gestandenen anthroposophisch geschulten Menschen. Die meisten dieser Eltern waren leider zu dämlich, um Rudolf Steiner zu lesen und ihr Horizont hörte irgendwo nach den Begriffen Engelswesen, Aura und Natur auf. Ich und mein Mann sind Naturwissenschaftler und vieles in der Anthroposophie ist absoluter Unfug, vieles aber auch durchaus interessant. Ich hatte keine Lust, dass mein Sohn als Aussenseiter angesehen wird, weil er auch mal Kleider aus dem Supermarkt trägt und nicht nur Alkena Natur-Kleider, am liebsten selbst gemacht und gefärbt. Auch wurde ich als Teilzeit arbeitende Mutter massiv angegriffen, da es doch der Sinnzweck der Mütter ist bei den sieben Kindern zu bleiben. Da scheint das Mutterbild der Nazizeit ganz grell durch und alle in der Krabbelgruppe hätten fürs Mutterkreuz gemordet. Nach einem Jahr in der Gesellschaft eines Dutzend solcher Mütter dachte ich mir, dass diese dann die Mütter der Schulkollegen meines Sohnes sein würden. Hätte ich ein paar halbwegs normale gebildete Frauen, die nicht an Engelwesen glauben und ihre Kinder nur mit Dinkelkeksen füttern, kennengelernt, hätte ich mich vielleicht anders entschieden…. Zeitgleich habe ich in meinem Beruf (ich arbeite in der Gesundheitsbranche) mit einigen Ex-Waldorfern zu tun gehabt, die den Absprung ins reale Leben nie geschafft haben und dann ohne Ausbildung und Perspektiven beim Sozialamt oder in der Kriminalität/Prostitution landen. Nachdem ich in einem Jahr sechs solche Klienten hatte, mit Waldorfhintergrund und Gefängniskarriere, war mir dann bei dem Thema eher unwohl. Klar sind das wohl statistische Ausreisser. Aber auch in der klassischen Musik ist der Konkurrenzdruck enorm. Das Vorspielen an einem Konservatorium ist Stress pur und dafür sind auch die musisch begabtesten Waldorfschüler mit 15 nicht gewappnet. Nun geht der Kleine in einen normalen Kindergarten und erhält separaten Musikunterricht (da er seit er 2 Jahre alt ist gerne Musik macht). Er lernt aber auch sich durchzusetzen und mit bildungsfernen, reichen, armen, schwarzen und weissen Kindern zusammenzuarbeiten. Bei uns in der Stadt wird die Waldorfschule vor allem aus Segregationsgründen gewählt, bei jenen Eltern, welche keine braunen Kinder in der Schule sehen möchten (die es in der Waldorfschule nicht gibt).

    1. Vielen Dank Olivia für deine kritische Wortmeldung. Die ist auch nötig und nachvollziehbar, ich verstehe sehr gut, was du meinst.

      Es hängt eben auch am Standort der Schule, an den Eltern und eben am Kollegium. Da die Waldorfschulen tatsächlich unabhängig sind und selbständig agieren, kommt es hier zu großen (Qualitäts-)Unterscheiden. Hätte ich den Eindruck, dass es bei unserer Schule auch nur annährend so wäre, wie du es beschreibst, hätte ich gesagt „Nein, danke“. Da aber eine Nachbarin 2 Töchter dort hat, habe ich exklusive Informationen. Bisher sind alle Eltern, die ich traf und die Kinder an dieser Schula haben, ganz normal und keine Esoteriker. Die aber gibt es. Sie sind aber sicher in der Minderheit an der gewählten Schule und das ist auch gut so. Denn natürlich gibt es immer auch Konflikte, Kinder, Eltern und Lehrer, die man nicht mag.

      Am Ende, denke ich, hängt es maßgeblich an den Eltern und nicht unbedingt an der Schule, welchen Weg die Kinder einschlagen. Da ich jemand bin, der mit beiden Beinen fest im Leben steht – wie auch die Kindesmutter – und einen sehr bewegten Lebensweg hatte und mir alles selber erarbeitet habe – bin ich sehr zuversichtlich, dass unser Töchterchen einen guten Weg ins Leben finden wird. Ob mit Waldorfpädagogik oder ohne!

      1. @olivia > Der größte RisikoPosten ist immer und überall der Mensch, will sagen die Elternschaft, das Kollegium, die „Freunde“ und Nachbarn usw. | Es kommt m.E. maßgeblich auf den Einstieg an. Wir haben anfangs der 1970er Jahre über den Kontakt zur Naturheilmittel-Medizin, Homöopathie, Schamanismus, Geistheilung usw. einen Fächer von Informationen verarbeitet, der einen kritischen Abstand zur Schulmedizin verschaffte. Das ist nicht jedermannsfrau Sache. Die Antroposophie verlangt sehr viel Einfühlungsvermögen und geistige Beweglichkeit, das wird einem aber auch über andere Wege abverlangt, z.B. Astrologie oder Geometrie. Man muß kein Esoteriker sein um alles zu verstehen, zuhören können bringt schon viel. Jedenfalls hat Rudolf Steiner in seiner Lebenszeit vieles angestoßen, was gerade heute als Realität zu beobachten ist. Das gilt auch für etliche Zeitgenossen seiner Epoche.
        Ein generelles „Problem“ ist wohl, wenn man mit Vorurteilen aus dem Bereich Hörensagen umgehen muß, z.B. „das verträumte Kind“ oder „der Zappelphilipp“ usw. und die „Überbetonung“ der musischen Fächer. Dem könnte man nur mit Hinweisen auf die Alltags-Statistik begegnen, sehr schwierig aber wirksam.
        Ich für meinen Teil habe sehr gemischte Erinnerungen an die eigene Schulzeit, klassische Nachkriegszeit, die Entscheidung für die Waldorfschule wurde mir deshalb sehr erleichtert und hat sich anschließend voll bestätigt.
        Bisserl Mut gehört allemal dazu …

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