Andrea Nahles und die Würde der Arbeit vs. sinnvolle Beschäftigung

Gerüstbauer voller würde bei der Arbeit

Hier noch mal der Wortlaut der Nahles-Rede am politischen Aschermittwoch 2018. Sie spricht im Koalitionsvertrag. „Kuckt es euch an! Das Kapitel wird viele Leute, die sich nicht mehr auf die Straße trauen, die vielleicht abgehängt sind, die wirklich kaum noch Hoffnung haben, wieder echte Berechtigung auf Hoffnung geben. Denn sie bekommen … Arbeit, Leute! Arbeit – und nicht eine Maßnahme. Arbeit und nicht eine Maßnahme. Arbeit bekommen die Leute. Arbeit.
Und Arbeit, das ist Würde. Das ist Würde für diese Leute. Arbeit und Würde gehen Hand in Hand.“

Wir wissen wohl, wie sie das gemeint hat. In Zeiten des Fachkräftemangels und der vielen 1000 offenen Stellen. Wenn jemand viele Jahre keine Arbeit hat, kein Einkommen, und auf ALG II – Harzt-IV, wie Volksmund sagt – angewiesen ist, dann ist das teilweise würdelos. Es ist bitter und manchmal ohne Hoffnung. Die Tatsache, keine Arbeit zu haben und nicht mehr gebraucht zu werden, kein Einkommen zu erzielen und sich nichts mehr leisten zu können, die Kinder darben zu lassen, ist bitter und hart. Aber bei der Agentur für Arbeit angeschissen zu kommen und dauernd von Sanktionen bedroht zu sein, dass ist … würdelos. Wurde ja, wir vergessen das nie, von der SPD und den Grünen, von der Regierung Schröder eingeführt.

Jetzt gröhlt Nahles also von Arbeit und von Würde. Es ist gut, dass die einstige Arbeiterpartei sich für Arbeit in strukturschwachen Regionen stark macht. Es ist gut, dass die ehemalige Partei der kleinen Leute, sich für den Mindestlohn engagiert. Aber solange der Regelsatz zur Existenzsicherung so gering ist, so lange dieser auch noch gekürzt, sprich sanktioniert werden kann, solange kann eine Regierungspartei nicht von Würde sprechen. Das macht sie unglaubwürdig. Von den christlichen Parteien wollen wir gar nicht erst anfangen, die mit Würde an dieser Stelle gar nichts zu schaffen haben.

Andrea Nahles beim Politischen Aschermittwoch am 14.02.18

Die Würde des Menschen

Wenn Arbeit würde ist – ob für diese Menschen oder für jemand anderen – wenn Arbeit und Würde Hand in Hand gehen, dann ist das eine gefährlich Aussage. Wie wäre es, wenn wir statt Arbeit „sinnvolle Beschäftigung“ sagen? Oder steigen an dieser Stelle die Sozialdemokraten aus? Oder andersherum: Gibt es Arbeit, die einem die Würde raubt? Wenn ja, kann Arbeit mit Würde nicht automatisch Hand in Hand gehen. Es geht also um die richtige Arbeit, sinnvolle Arbeit, sinnvolle Beschäftigung. Dann ist es egal, ob es „Maßnahme“ heißt, Kinderspiel, Rentnerausflug oder Beschäftigungstherapie. Ich gehe daher nicht davon aus, dass Nahles im Umkehrschluss behauptet, Arbeitslose, Rentner, Kinder und Kranke hätten verfügten über keinerlei Würde, weil sie nicht arbeiteten.

Aber vielleicht ist die Würde einem Lebewesen, zumal einem Menschen ja angeboren. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Menschenwürde ist an keine Bedinungen geknüpft und deshalb sind diese Aussagen der Andrea Nahles zwar typisch für die übergewichtigte SPD-Vorsitzende in Spe, aber ungültig und falsch. Und gefährlich. Sie fragt nämlich gar nicht nach Qualität und Sinn der Arbeit, sondern nur nach Arbeit an sich, als Selbstzweck, als Kompensation für Würde. Und das scheint typisch für die derzeitige SPD zu sein.

Ganz abgesehen davon, dass Trennungsvätern in den Familiengerichten oder der „Düsseldorfer Tabelle“ von Staatswegen ihrer Würde beraubt werden. Das Freiberufler und kleine Selbstständige überhaupt keine Fürsprecher, aber sinnvolle Beschäftigung sprich Arbeit haben, aber durch das Raster fallen und durch die Steuergesetzgebung und die Abgabenlast entwürdigt werden. Das ist bis zu SPD-Spitze nicht vorgedrungen. Und deshalb kommt es zu diesen Aussagen, die nachdenkliche Zeitgenossen/Zeitgenössinnen ratlos bis empört zurücklassen.

Arbeit ist Arbeit und Würde ist Würde.

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2 Kommentare

  1. „Wenn Arbeit würde ist – ob für diese Menschen oder für jemand anderen – wenn Arbeit und Würde Hand in Hand gehen, dann ist das eine gefährlich Aussage. Wie wäre es, wenn wir statt Arbeit „sinnvolle Beschäftigung“ sagen?“

    Da stimme ich natürlich voll mit Dir überein.

    Ja, es wird „gefährlich“, wenn nur „Arbeit“ zur Existenz berechtigt:

    „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ […] „Nur wer arbeitet, soll auch essen.“

    Franz Müntefering, SPD

    https://de.wikiquote.org/wiki/Franz_Müntefering

  2. „You know my old saying, «Slavery was never abolished, it was only extended to include all the colors»“

    mit „slavery“ beschreibt Charles Bukowski in einem Brief an seinen Verleger „Arbeit“, mit der Bukowski aufhören konnte, weil ihm sein Verleger lebenslang 100 Dollar monatlich zahlte, fürs Schreiben – „eine sinnvolle Beschäftigung“ – oder wie Bukowski am Ende seines Briefes sagt:

    „To not to have entirely wasted one’s life seems to be a worthy accomplishment, if only for myself.“

    https://www.lettersofnote.com/2012/10/people-simply-empty-out.html

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